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Scherbenhaufen

Scherbenhaufen

Titel: Scherbenhaufen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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»Als hier vor Jahren eine weitere Mittelschule begründet wurde, reichte die Bezeichnung ›Gymnasium Thun‹ für zwei unterschiedliche Institutionen nicht mehr aus. Man musste die beiden Schulen auseinanderhalten können. Dazu wurden passende Namen gesucht. Flurnamen schienen sich besonders anzubieten. Die Partnerschule beanspruchte bereits die wohlklingende Bezeichnung ›Seefeld‹. Welche blieb der alteingesessenen Bildungshochburg an der Seestrasse?«
    »Wenn ich mich richtig erinnere, standen die Namen Lachen, Scherzligen und Schadau zur Auswahl«, weiß Robert Weihermann und meckert: »Einer lustiger als der andere.«
    »Präzis. Darum konnten sich die Verantwortlichen weder für eine Mittelschule zum Lachen noch für ein Scherz-Gymnasium erwärmen. Schadensbegrenzung verhieß einzig und allein die Schad-Au.«
    »Dabei braucht ein beschatteter Lernort nicht automatisch im Widerspruch zu einem sonnigen Unterrichtsklima zu stehen«, feixt der neunmalkluge Assistent. Er muss es ja wissen. Sein Sohn Stefan besucht seit einem Jahr den Tomatenbunker.
    »Schadau bezeichnet eine Aue, die zu früheren Zeiten regelmäßig überschwemmt wurde und Schaden erlitt oder verursachte«, schließe ich meine Ausführungen.
    Mein Assistent mahnt: »Kehren wir zum Thema des Krugbruchs im Museum zurück. Herr Weihermann, Ihre Freundin hat Aufsicht geschoben und Sie haben sie abholen wollen?«
    »Stimmt«, bekräftigt Niklaus Weihermann. »Dann kam dieser Saukerl dazwischen!«
    Jürg Lüthi hebt verwundert die Augenbrauen. »Wer soll das sein?«
    Der Junior fixiert die blinden Fensterscheiben. »Keine Ahnung. Ich habe ihn leider nicht wirklich zu Gesicht bekommen.« Nach kurzer Pause meint er: »Es war nämlich so. Als ich ahnungslos die enge Wendeltreppe hinuntergestiegen bin, habe ich plötzlich einen Hilferuf gehört. Mir war sofort klar, dass es sich um Eva handelte.«
    »Wie konnten Sie sicher sein?«, frage ich.
    »Erstens kenne ich ihre Stimme. Zweitens halten sich so kurz vor Feierabend nur selten noch Besucher im Kellergeschoss auf.« Er erhebt sich und schildert mit unerwarteter Lebendigkeit die weiteren Geschehnisse: »Ich war auf den Schrei hin losgerannt. Dabei hatte ich wohl ein ziemliches Getrampel verursacht und Evas Angreifer gewarnt. Jedenfalls klirrte es gewaltig und gleich darauf ertönten die Sirenen. Der Alarm wurde durch das Aufreißen der Sicherheitspforte ausgelöst. Genau in dem Augenblick, als ich den Keller erreichte, schlug der Notausgang wieder zu und der Lärm verstummte.«
    »Was genau haben sie vorgefunden?«, erkundigt sich mein Mitarbeiter.
    »Ein Bild der Zerstörung!«, erwidert der junge Töpfer ohne Zögern. »In jedem Winkel des Raumes lagen Stücke der Glasvitrine und ihres Inhalts. Eva saß entgeistert in einem antiken Figurenschlitten und rang die Hände. Das arme Mädchen!«
    »Der schöne Krug«, brummt Robert Weihermann.
    Jürg Lüthi überhört den Vater und vergewissert sich beim Junior: »Sie haben den Täter nicht erkannt?«
    Niklaus Weihermann schüttelt sein Haupt: »Leider nein.«
    »Zumindest Ihre Freundin wird ihn beschreiben können«, hoffe ich.
    Der Angesprochene winkt erneut ab. »Eva hat sich das Gesicht nicht merken können.«
    »Rein gar nichts?«, wundert sich Jürg Lüthi.
    »Absolut!«, bekräftigt Niklaus Weihermann mit Nachdruck und liefert gleich eine Erklärung: »So geschockt, wie die Arme war.«
    »Geschockt? Wegen den paar Scherben?« zweifelt mein Mitarbeiter.
    Damit kommt er nicht gut an.
    »Nein, nicht darum!«, braust Niklaus Weihermann auf und stößt hervor: »Wegen dem, was der Kerl meiner Eva angetan hat!« Dazu funkeln die Augen des jungen Mannes hasserfüllt.
    »Was meint die Polizei dazu?«, erkundigt sich Jürg Lüthi sachlich.
    »Polizei?«, wiederholt Vater Weihermann abwehrend. »Wozu die Schroterei?«
    »Ja, wurde denn keine Anzeige erstattet?«, wundere ich mich.
    »Von wem?«, kläfft Robert Weihermann und zieht die Finger der rechten Hand wie einen groben Kamm durch die langen, weißgelben Haarsträhnen.
    Stellt sich der Alte absichtlich dumm?
    »Von Ihnen oder Ihrem Sohn, von Eva selbst, von der Museumsleitung, oder was weiß ich? Irgendwer wird den Vorfall doch gemeldet haben?«
    »Nein, da waren und sind wir alle strikt dagegen. Fehlt gerade noch, dass diese Angelegenheit offiziell wird«, wehrt der Seniorchef ab. »Kurzum würde sie publik.«
    Bevor ich neue Vorbehalte anmelde, schiebt Robert Weihermann nach: »Darum haben wir uns für
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