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Scherbenhaufen

Scherbenhaufen

Titel: Scherbenhaufen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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amourösen Gerüchtebörse fanden keine Erfüllung. Es mangelte Frau Rechberger und Herrn Kern weiterhin an zuverlässigen Informationen und schlüssigen Beweisen eines Techtelmechtels auf höchster Schlossbergebene.
     
     
     

4
    Im Laden der Heimberger Töpferei türmen sich hohe Stapel verkäuflicher Keramik. Markieren sie eher die Stelen einer aufstrebenden Branche oder nur die Mahnmale einer desaströsen Wirtschaftslage?
    Der Meister präsentiert mir und meinem Assistenten eine überstellte Werkstatt. In ihrer Mitte rotieren drei elektrische Drehscheiben. Aus einem staubigen Transistorradio scheppert der Heimat-Song vom Schweizer Rapper BLIGG:
    » Helvetia und Willhelm sind stolz uf eusi Chinde,
    Grüezi Frau Küenzi,
    mit em Arsch gwagglä müend si.«
    An der Rückwand des stickigen Raumes lässt Hafnerware in lederhartem Zustand die Tablare der wandhohen Regale durchhängen. Rechter Hand imponiert ein mächtiger Brennofen, der in kurzen, regelmäßigen Intervallen sein Brummen mit einem dumpfen Plopp unterbricht. Nach wenigen Sekunden lässt das kolossale Ungetüm die staubtrockene Atelierluft jedes Mal erneut vibrieren.
    »Die Hitze steigt nur schrittweise auf 900 Grad. Ganz behutsam. Sonst ginge bereits beim Rohbrand alles in die Brüche«, erklärt der Töpfer mit wichtiger Miene. »Danach wechseln wir die Ware und bereiten den sogenannten Glasurbrand vor. Er erreicht seine Spitze bei 1200 Grad. Die große Hitze ist erforderlich, damit die aufgetragenen Chemikalien zuverlässig und regelmäßig ausschmelzen.«
    »Woraus bestehen diese Glasuren?«, erkundigt sich mein Assistent, nichts Böses ahnend.
    Robert Weihermann setzt sein schräges Lächeln auf, zupft nervös an seinem Bocksbärtchen und meint betreten: »Die Zusammensetzung ist ein gut gehütetes Geheimnis.« Damit erinnert er an die verstockten Käser einer TV-Werbung. Käse- und Bankgeheimnis, das versteht man ja noch irgendwie. Aber Glasurgeheimnis?
    »Jeder Töpfermeister mischt seine eigenen Pülverchen zusammen. Mehr will ich dazu nicht sagen.« Im Weitergehen präzisiert er: »Natürlich erfolgt alles im Rahmen der Vorschriften. Die Lebensmittelverordnung verbietet beispielsweise bleihaltige Glasuren. Die wurden in der Vergangenheit zu sorglos verwendet und führten in der Folge fast zum Aussterben des Handwerks. Die Töpfer krepierten Reihenweise an Bleivergiftung.«
    Ich nicke betroffen und blicke zur Fensterfront, deren Scheiben völlig erblindet sind. Ob in diesem Atelier tatsächlich keine problematischen Stoffe mehr geschmolzen werden? Ein verdächtig mattweißer Belag auf dem Glas verwehrt zwei Angestellten jedenfalls den Durchblick komplett. Sie glasieren gebrannte Gefäße aus schamottiertem Ton. Die Lehrtochter taucht die Werkstücke mit bloßer Hand in einen Zuber mit gräulicher Flüssigkeit. Danach stellt sie die tropfenden Krüge zum Trocknen auf zwei lange, schmale Holzleisten.
    Ein blasser Arbeiter sitzt mit krummem Rücken über einer schwarz grundierten Salatschüssel. In bewundernswertem Tempo und mit unnachahmlicher Präzision lässt er aus einem Malhörnchen Margeriten und Edelweiß erblühen. Das Gerät besteht aus einem handgroßen Gummiball, durch dessen hornförmige Plastikdüse flüssige Engobe auf den Malgrund spritzt.
    Der geschickte Keramikmaler hustet trocken.
    »Niklaus, mein Sohn«, kommentiert Robert Weihermann.
    In der Tat erfordert die gebückte Erscheinung eine Erklärung. Sie verheimlicht auf den ersten Blick nämlich jede genetische Nähe zu seinem Erzeuger.
    Niklaus Weihermann wendet sich uns kurz zu, nickt und fragt fast tonlos: »Kommen Sie wegen der Sache mit dem Krug?« Dabei öffnet er seinen Mund asymmetrisch und verrät die familiären Banden doch noch.
    Sein Vater winkt ab. »Lass! Ich mache das.«
    Der Sohn kuscht sofort. Er tut mir leid. Sichern diese Umgangsformen dem Familienunternehmen eine Zukunft? Die ruppige Art von Robert Weihermann verärgert mich. Zudem wäre es allmählich an der Zeit, Konkreteres über den Auftrag zu erfahren.
    »Also, Herr Weihermann. Was können wir für Sie tun?«
    Der Alte zögert, greift in die Innentasche seines staubigen Kittels, zieht ein Bündel mit Farbfotos heraus und knallt es mit weitausholender Geste auf die Werkbank. »Volià, darum geht es!«
     

5
    Auffällig.
    Auf allen Fotos ist ein und derselbe Krug abgebildet. Immerhin aus unterschiedlichen Perspektiven. Das ermöglicht es mir, die Höhe des realen Gefäßes auf 30 Zentimeter zu schätzen.
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