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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller
Autoren: Karen-Susan Fessel
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Sorgen machen, Mist ist das, total blöder Mist …
    » Daj, daj! «, zischt der Große.
    Mit zitternden Händen halte ich ihm den Rucksack hin, und jetzt lächelt er noch breiter, jetzt lächelt er richtig, erfreut lächelt er, viel jünger sieht er jetzt aus, wie ein kleiner Junge, der im Dreck gespielt hat und hingefallen ist und deshalb geheult hat.
    Er streckt ebenfalls die Hand aus, und dann, ganz unvermutet, ruckt es schon wieder an meinem Arm, und zwar so heftig, dass mir der Rucksack aus den Händen rutscht und zu Boden fällt. Jemand ruft etwas, und plötzlich lässt der Typ hinter mir mich los. Auf einmal bin ich frei und springe zur Seite, und ich kann gerade noch sehen, wie der Große vor mir erschrocken zurückweicht. Und dann ist da noch ein Arm, ein Arm, der sich vorstreckt und ihn schubst, er  schubst ihn gegen den Bus, wie in Zeitlupe sehe ich ein Bein, das sich hebt, einen Fuß, der in einem Turnschuh steckt und nach vorn tritt und trifft, den mageren Dunklen in die Hüfte trifft, sodass er das Gleichgewicht verliert und nach hinten gegen den Bus prallt.
    Jemand ruft etwas, sehr laut, und der Magere zögert nicht lang, er springt auf und hastet davon, um den Bus herum und um die Ecke, und dann ist er verschwunden.
    »Alles in Ordnung?« Der Junge, der vor mir steht, ist nicht viel älter als ich. Er hat dunkle, wilde Locken und dunkle, wilde Augen und ein Lächeln, bei dem drei Viertel der Mädchen aus meiner Klasse augenblicklich dahinschmelzen würden.
    »Alles in Ordnung?«, wiederholt der Junge vor mir. Jetzt lächelt er nicht mehr. Stattdessen sieht er mich vorsichtig an. »Bist du verletzt?«
    Ich schüttele den Kopf und sehe auf den Boden. Mein Rucksack liegt direkt vor meinen Füßen und daneben steht meine Tasche. Und auch sonst fehlt mir nichts. Nur die Sprache. Die ist weg. Total!
    Er bückt sich, hebt meinen Rucksack auf und reicht ihn mir. Mit zitternden Fingern hänge ich ihn mir um und schnalle ihn fest. Aber sagen kann ich immer noch nichts.
    »Geht es dir gut?«, fragt er und lächelt erneut.
    Ich muss mich verbessern: Seine Augen sind nicht wild. Sie sind traurig. Und unglaublich schön.
    »Hallo?«, fragt er, und jetzt, endlich, finde ich die Sprache wieder.
    »Nein, alles okay. Danke. Du hast mich echt gerettet.«
    Er nickt, dann tritt er zurück. Vielleicht täuscheich mich, aber es kommt mir so vor, als seien seine Augen auf einmal dunkler geworden.
    Noch dunkler. Und noch trauriger.
    »Gut«, sagt er. »Gut. Dann …« Er dreht sich um und blickt über die Straße, dann sieht er mich wieder an. »Willst du … Komm, ich nehm deine Tasche und bring dich noch ein Stück.« Er bückt sich und greift nach meiner Tasche, aber im selben Moment höre ich, wie jemand meinen Namen ruft.
    »Alex! He, Alex!« Carl kommt vom Hotel auf uns zugelaufen und wedelt mit den Armen. »He, Alex!«, ruft er noch mal. »Alles okay?«
    Der Junge lässt meine Tasche los. »Ich muss weg«, sagt er schnell und macht Anstalten, sich umzudrehen. Ich hole tief Luft.
    »Warte! Kann ich … Kann ich mich irgendwie bedanken? Kann ich dich nicht zum Kaffee einladen oder so? Also, ein bisschen später? Oder heute Abend?«
    Er zögert, dann nickt er und dreht sich endgültig um. »Um sechs Uhr«, sagt er über die Schulter. »Hier, ja?« Und dann sieht er sich kurz nach Carl um, der uns inzwischen fast erreicht hat, und sprintet über die Straße.
    »Alex! Wann kommst du denn endlich?« Carl steht vor mir. Er ist ganz außer Atem, offenbar ist er gerannt. »He, wir warten auf dich! Was ist denn los?«
    »Nichts«, sage ich. »Nichts. Ich …« Ich zögere, dannsetze ich hinzu: »Ich hab nur was in meiner Tasche gesucht.«
    Carl nickt langsam und betrachtet mich prüfend. Dann streckt er die Hand aus. »Komm, gib her!«
    Ich reiche ihm die Tasche, und er wirft sie sich über die Schulter und fasst mich am Arm. Knapp überm Ellenbogen, an genau derselben Stelle, wie der andere Typ mich gerade eben noch von hinten gepackt hat. Ich zucke zusammen, und Carl wirft mir einen prüfenden Blick zu. Ich lächele ihn an, und nach einem Moment lächelt Carl zurück. Offen und locker wie immer.
    Eigentlich ist alles wie immer.
    Und doch ist auf einmal nichts mehr wie vorher.
    »Komm, lass uns gehen!«, sage ich, und Carl nickt und setzt sich in Bewegung.
    Ich hole tief Luft, dann sehe ich an mir herunter. Alles normal: ein grünes, ziemlich zerknittertes Top, Jeans, Sneakers. Sieht aus, als wär nichts passiert.
    Als ich
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