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Schampanninger

Titel: Schampanninger
Autoren: Max Bronski
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antreten. Wenn du jetzt nicht zu stänkern aufhörst, werde ich pelzig. Haben wir uns jetzt?
    Susi schaute herein. Sie merkte sofort, dass es Krach gegeben hatte.
    – Es geht los, sagte sie mit leicht piepsiger Stimme.
    Maillinger drehte sich abrupt um und verschwand aus dem Zimmer. Am liebsten hätte ich alles hingeworfen, aber Susi fasste mich vorsichtig am Unterarm und begann zu ziehen.
    – Jetzt kommen Sie bitte. Ohne Nikolaus kriegen wir doch einen Riesenärger da drüben.
    Ich folgte ihr widerwillig.
    Nebenan waren vierhundert Hendl den Weg alles Irdischen gegangen, und ich betrat pünktlich zum Nachtisch den Raum, genauer gesagt: die Bühne, auf der sonst volkstümliche Unterhaltung von Zitherseppen und Dirndlannamirlen geboten war. Ich stand oben und versuchte durch gemessene Grußbewegungen ins Publikum hinein noch ein wenig Zeit zu gewinnen, um durchschnaufen und mich sammeln zu können. Musste man sich denn so ein Arschloch auf den Hals hetzen lassen?
    Beifall kam auf, die Gespräche verstummten, nur das Klappern der Löffel in den Puddingschälchen war noch zu hören. Ich orientierte mich. Man hatte gut eingeheizt, die abgestandenen Klamotten und die verabreichte Vollmahlzeit hatten auch das Ihre getan, sodass mit dem strengen, schweißigen Dunst ein Geruch unter der Decke stand, der mich an die Eselssalami erinnerte, die mir einst ein zahnloser, damals noch jugoslawischer Hirte auf den Teller gesäbelt hatte.
    Als ich das goldene Buch vorne am Pult öffnete, wärebeinahe ein Briefchen auf den Boden gefallen, das zwischen Bernis Blättern steckte. Ich fing es mit der Hand auf und schob es in meinen Ärmel. So wurde der Beginn holprig, und was folgte war, ehrlich gesagt, oberscheiße. Heute würde ich mir eher die Zunge abbeißen. Aber Pennerwitze durfte ich nicht erzählen, Oberbürgermeister und entsprechend redegewandt war man auch nicht, also raspelte ich etwas herunter von Münchner Originalen wie Berni Berghammer, dank derer es einem um unser schönes München nicht bange sein müsse. Der Verein habe einiges an Geld aufgebracht und gut angelegt. Das riss keinen vom Hocker. Wenigstens war ich gegen Ende noch zu einer spontanen Einlage fähig, weil mich dann doch der Ehrgeiz packte, nicht als kompletter Depp mit hängendem Kopf von der Bühne schleichen zu müssen. Da auch ich urbi et orbi schon des Öfteren gesehen hatte, gelang mir dieser versöhnliche Abschluss mit meinem Papstnachbau, indem ich in immerhin fünf Sprachen gesegnete Festtage wünschen konnte. Das kam gut an.
    – Hat doch gepasst, spendete mir Susi, die mich hinter der Bühne in Empfang nahm, verhaltenes Lob.
    Ich übergab ihr das goldene Buch und meinen Stab und stellte mich anschließend an den Ausgang, wo ich jedem, der den Saal verließ, noch ein Päckchen in die Hand drückte. Bei dieser mechanischen und stocklangweiligen Tätigkeit ordneten sich schlagartig die seltsamen Vorkommnisse dieses Abends zu einem klaren Bild. Kurzzeitig trübte sich meine Logik nochmals, als Vierthaler, gestützt von seinen Alkchinesen heranschwankte. Da war dann doch der Ofen aus! Dass er sich ein Gratishendl abholte, mochte ja noch angehen, aber dass er bei seinem Stellvertreter ein Geschenk abschnorren wollte, nicht mehr.
    – Verpiss dich, du alter Suffkopp!
    – Tschuldigung, lallte Vierthaler. Ich wollte ja nur …
    Er ruderte wie ein Windmühlendarsteller mit den Armen. Am liebsten hätte ich ihn in den Arsch getreten.

7
    Es war spät geworden, inzwischen ging es auf zwölf. Ich hatte einen kompletten Arbeitstag als Nikolaus hinter mich gebracht, war eigentlich hundemüde und wäre gerne nach Hause gegangen. Aber es gab noch etwas zu erledigen. In einer unbeobachteten Ecke zog ich das Briefchen aus dem Ärmel. Das gelbliche Papier fühlte sich an, als sei es mit einer leichten Wachsschicht überzogen. Drinnen befand sich ein weißes Pulver. Ich zerrieb eine kleine Menge zwischen meinen Fingerspitzen. Die Kristalle schmolzen und fühlten sich ölig an. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr.
    Ich suchte Berni, um ihn zur Rede zu stellen. Der Einzige, der mir über den Weg lief, war der Schankkellner in seiner Lederschürze, der die Fässer austauschte. Seiner Statur und seinen Pranken nach konnte der in jedem Bauerntheater den Schmied von Kochel geben. Meine Frage nach Berni beantwortete er mit einem aus den Untiefen seiner Brust kommenden Knurren, mit dem er ausdrücken wollte, dass er es nicht wisse, es ihn sowieso noch nie interessiert habe und
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