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Schampanninger

Titel: Schampanninger
Autoren: Max Bronski
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urbi et orbi im Fernsehen gesehen. Ich gab ihr meinen Hirtenstab, öffnete das goldene Buch und blickte in die gespannte Runde.
    – Bin ich hier richtig im Heim für schwer erziehbare Mädchen?
    Damit hatte ich schon zu Anfang einen absoluten Volltreffer gelandet. Erst war nur so ein abgeklemmtes Gickern zu hören, schließlich wurde ein immer noch respektvoll verhaltenes Kichern daraus, das endlich zu einem heftigen Gelächter anschwoll. Mein Vortrag nahm Fahrt auf. Ich beschuldigte Schwester Adeodata des Schnapsdiebstahls, untersagte künftig Herrenbesuche und Partys auf den Zimmern, beklagte mich über die Sauklaue der Engel im goldenen Buch und verkündete, dass der Himmel dem Tagescafé eine dauerhafte Lizenz zum Bierausschank erteilt habe. Manches war sicher ein wenig derb, aber vieles ging in dem Kreischen und Johlen der Versammlung unter. Jedenfalls blickte ich in von Lachtränen feuchte Augen und auf immer röter werdende Bäckchen. Das eine oder andere ging bei dem Lachdruck sicher auch in die Hosen. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass es unter der Glühweinwolke zunehmend mehr nach Pisse roch. Zum Schluss sangen wir alle noch aus voller Kehle das Nikolauslied, dass man froh und munter sein und sich von Herzen freuen möge. Endlich zog ich ab. Den Auftritt würden die Mädels nicht so schnell vergessen.
    Draußen wartete Adeodata auf mich. Jetzt würde ich meine Abreibung kriegen. Und einen Kirchenbann vom Herrn Pfarrer.
    Aber nichts dergleichen!
    – Super, sagte sie. Absolut super.
    Diese Frau hatte doch Stil.
    – Neunundneunzighundert von hundert Punkten, fragte ich.
    – Mindestens.

4
    Schwester Adeodata schleppte mich wieder in ihr Pucki-Büro und schickte sich an, die Geldkassette aufzuschließen. Ich winkte ab.
    – Lassen Sie’s gut sein. Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.
    Erstaunt hob sie ihre Brauen. Aber auch ich bin hin und wieder für eine Überraschung gut. Erst später verstand ich, dass ich damit nur einen Test bestanden hatte. Sie setzte sich und zog die Schublade ihres Schreibtischs auf.
    – Dann habe ich etwas ganz Besonderes für Sie!
    In Vorfreude gickelnd überreichte sie mir ein Briefkuvert. Erwartungsvoll sah sie mich an.
    – Sie dürfen es ruhig aufmachen.
    Sie legte ihre verwitterten Hände in Schürzentaschenhöhe übereinander und beobachtete mich genau. Ich riss den Umschlag auf und zog eine goldgeprägte Karte heraus.
    – Donnerwetter!
    Es handelte sich um eine Einladung für Heiligabend. Unser Herr Kardinal, der Erzbischof von München und Freising, bat mich höchstpersönlich in seine Residenz zu einer, wie er scherzhaft schrieb, Bischofskonferenz für ehrenamtliche Nikoläuse. In Schwester Adeodatas Gesicht zog Andacht auf.
    – Ich darf ja leider nicht mit dabei sein!
    – Da bleiben wir Männer lieber unter uns, erwiderte ich.
    Wenn das meine Mutter noch hätte miterleben können! Eine solche Einladung zum Herrn Kardinal hätte ihr den Glauben an meine Zukunft wiedergegeben. Dieses Papier wares wert, mit ins Jenseits hinübergeschmuggelt zu werden. Dann konnte sie wenigstens mal einen kurzen Blick darauf werfen. Ich legte den Umschlag in das goldene Buch und schickte mich an zu gehen.
    Jemand klopfte an die Tür. Ein unrasierter Mensch streckte seinen Kopf herein.
    – Taxi, bullerte er.
    Ich schaute Adeodata fragend an, sie schüttelte den Kopf.
    – Für den Nikolaus, ergänzte der Fahrer.
    – Brauche ich nicht. Ich gehe zu Fuß.
    – Zum Weißbräu in die Stadt? Das ist doch viel zu weit!
    – Was mache ich denn beim Weißbräu?
    – Ihr nächster Auftritt, Meister. Die bedürftigen Münchner.
    Vierthaler hatte mir wohlweislich verschwiegen, dass mein Gig noch weitergehen sollte. Ich fügte mich murrend und ließ mich hinausgeleiten. Auf dem Gang begegnete uns eine Schar immer noch animierter Damen, die im Tagescafé Glühwein nachgelegt hatten. Kokett winkten sie zu mir her. In ihrem Schlepptau hatten sie einen recht gut erhaltenen Herrn mit elastischem Gang und der schon etwas überständigen Virilität des späten Viktor de Kowa. Er trug Halstuch und einen Blazer mit Goldknöpfen. Ich winkte zurück und stieg in das Taxi.
    Der Fahrer verstaute meinen Stab im Kofferraum und warf die Klappe geräuschvoll zu. Dann legte er einen so beherzten Start hin, dass das Heck zur Seite driftete. Ich drehte mich noch einmal um und nun wurde mir klar, dass ich so einen Schnäuzer und die buschigen Augenbrauen heute schon einmal gesehen hatte. Vielleicht oder
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