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Schampanninger

Titel: Schampanninger
Autoren: Max Bronski
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den Herren von der Funkstreife eine Information stecken könnten.
    Zumal als Nikolaus beherrscht man sich und wahrt dieContenance. Man ist mehr für die guten Taten zuständig und nicht als Krampus unterwegs.
    Ich hob grüßend meinen Stab und zog Richtung Josepha-Altenstift los.

3
    Schwester Adeodata kam aus der Küche herbeigeeilt, wischte sich im Gehen an der weißen Schürze ab und begrüßte mich. Die Haut ihrer Hände war hart und rissig. Die zehrende Arbeit war ihr auch sonst anzumerken. Leicht gebückt führte sie mich in ihr Büro. Verblüfft sah ich mich um. Der Raum wirkte, als hätte man das Kontor in Puckis Mädchenzimmer verlegt. An der Wand klebten Tierbilder und Postkarten. Wo die Akten in den Regalen Lücken gelassen hatten, waren Figürchen drapiert, vorwiegend Clowns und Putten. Ich setzte mich. Noch bevor ich auf der Sitzfläche angekommen war, zog sie mit rascher Bewegung einen braunen Stoffbären an sich.
    – Da haben wir ja noch mal Glück gehabt, nicht wahr, Tim-Bär?
    Sie setzte sich den schon etwas räudigen braunen Gesellen auf den Schoß. Ich musterte sie. Ihr Gesicht war durch die Haube wie in einen Rahmen gespannt. Welcher Pegelstand geistiger Gesundheit bei ihr anzusetzen war, erschloss sich einem Außenstehenden nicht auf Anhieb. Dann klingelte jedoch das Telefon, und Adeodata gab eine eindrucksvolle Probe ihrer Lebenstüchtigkeit. Ihr Ton wurde geschäftsmäßig,die Rechte klickerte währenddessen über die Computertastatur. Wer das so locker rüberbrachte, hatte allenfalls einen leichten Sprung in der Schüssel. Sie war zwar schon etwas runzlig, aber ihre Augen strahlten fast jugendlich klar. Damit war auch ihr Wesen bezeichnet. Beim Arbeiten konnte sie tüchtig hinlangen, ansonsten pflegte sie eine juvenile Mädchenhaftigkeit.
    – Wie viele werden es denn heute Abend sein?
    – Sicher neunundneunzighundert.
    – Wie viel?
    Schwester Adeodata stimmte etwas an, was vor gut dreißig Jahren einmal ein glöckchenhelles Lachen gewesen war. Schalkhaft bog sie ihren Oberkörper zurück. Einem testosterongesättigten Kerl wie mir ging diese Jungmädchentour ziemlich auf den Senkel.
    – Ich sag das immer so, wenn es ganz, ganz viele sind.
    Du meine Güte, musste sie denn alles in ihrer kindlichen Teddybären-Sprache ausdrücken? Was für ein Glück, dass Vierthaler ausgefallen war. Spätestens jetzt hätte er auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre wieder im Stübchen eingecheckt. Sie reichte mir ein eng beschriebenes Blatt.
    – Fürs goldene Buch, sagte sie.
    Die Sündenliste also. Frau Bierlein sagte schlimme Namen zu Frau Puchner. Frau Gratzl wollte nie ihre Schokolade teilen. Frau Michelsteiner wurde beim Origamifalten so grantig, dass sie den Storch ihrer Nachbarin zerknüllte. Undsoweiter undsoweiter. Hin und wieder Delikte, mit denen auch unsereiner etwas anfangen konnte, wie, dass Frau Steinle ihrer Mitbewohnerin ständig den Cognac wegtrank.
    – Und Männer gibt es keine hier, fragte ich.
    Schwester Adeodata lachte scheppernd wie ein Klingelbeutel.
    – Mit den Männern haben wir es hier nicht so.
    Dann legte sie mir ihre verwitterte Hand auf den Unterarm.
    – Aber ein paar gibt es schon. Und natürlich den Herrn Pfarrer.
    – Aha. Gehört der auch dazu?
    Sie sah mich strafend an. Gerne hätte ich noch weiter gestichelt, aber man soll in Gegenwart gelebter Keuschheitsgelübde nicht herumledern. Ich sparte mir deshalb den Einwand, dass es ihr gar nicht erlaubt war, sich den Herrn Pfarrer als Mann vorzustellen, denn das wäre nichts weniger als Unkeuschheit in Gedanken gewesen. Sünde eben.
    – Kommen Sie, sagte sie. Es ist Zeit.
    Bühne frei, dachte ich. Hinterher würde ich Frau Steinle um einen Cognac anhauen.
    Das Tagescafé des Heims war voll besetzt. Auch einige Pflegefälle hatte man nach unten geschafft, ihr Tisch vermittelte der vielen Infusionsständer wegen den Eindruck eines Jachthafens. In der Mitte dominierte ein munterer Kern von gut erhaltenen alten Damen, die beim Glühwein vor sich hin schickerten. Die Bademantelfraktion war spärlich präsent, aber ihre ausgemergelt-bleichen Gesichter mit tiefen Backenhöhlen und halb offenen Mündern machten mir ein ziemlich mulmiges Gefühl. Gemessenen Schritts ging ich nach vorne, nickte und grüßte nach links und rechts, wo sich einige bekreuzigten. Auf einem Podest war ein Stuhl für mich bereitgestellt, während ich mich setzte, hob Schwester Adeodata die Flügel meines Ornats über die Lehne. Die Frau hatte reichlich
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