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Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)

Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)

Titel: Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)
Autoren: Meike Nilos
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den Kopf. Ich war so egoistisch. Nichts würde besser werden, wenn ich Elinor damit belastete, nichts würde sich an dem Geschehenen ändern, aber für meine Schwester würde ich eine andere sein. Ich konnte mich ihr unmöglich anvertrauen, mein gedankenloses Verhalten konnte die ganze Familie ins Unglück stürzen. Elinor würde niemals einen Mann finden, niemals glücklich werden. Ich zwang mich zu lächeln. "Nichts", sagte ich. "Ich bin nur ... Mr Willoughby ist ein wirklich gutaussehender Mann."
    Elinor sah mich prüfend an, dann lächelte sie und die kleine Stirnfalte verschwand. "Nun", sagte sie, "das ist mir aufgefallen. Noch dazu ist er ein gutaussehender Mann mit einem nicht unbeträchtlichen Vermögen. Und er scheint an dir Gefallen zu finden." Sie dachte einen Moment nach, suchte nach den richtigen Worten und nahm meine Hand. "Ich kenne dich besser als jede andere und ich sehe, dass du verwirrt bist. Du bist so ungestüm, so gefühlsbetont." Wieder machte sie eine Pause, bevor sie weitersprach. "Du weißt, dass du keine Mitgift bekommst ..."
    "Elinor", fiel ich ihr ins Wort, "mir ist bewusst, wo ich stehe, aber Mr Willoughby ist nicht berechnend, er hat nicht nur Geld und Verstand, er hat ein Herz!" Ohne es zu wollen, hatte ich mich in Rage geredet. Ich stand auf und ging zum Fenster, betrachtete den Mond, der voll und schwer über den Bäumen hing. In den Mondkratern erkannte ich Willoughbys Gesicht. Hatte er das wirklich? Ein Herz? Oder redete ich mir das nur ein, weil ich wollte, dass es so war?
    "Marianne." Elinor war hinter mich getreten und berührte meine Schulter. "Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst. Ich bitte dich nur, vorsichtig zu sein. Willst du mir das versprechen?"
    Ich wollte es versprechen, das wollte ich wirklich, auch wenn ich tief in meinem Inneren wusste, dass ich das Versprechen nicht würde halten können. Zögernd nickte ich.
    "Dann lass uns das Thema beenden und zu Abend essen."
    "Geh schon vor", sagte ich. "Ich komme in einer Minute hinunter."
    Elinor entfernte sich und die Tür schlug zu. Immer noch starrte ich den Mond an, Willoughbys Gesicht darin schien zu lächeln und ich lächelte zurück.
     

5
    Am nächsten Morgen erwachte ich bereits beim ersten Hahnenschrei. Ich fühlte mich ausgelaugt, als hätte ich kein Auge zugetan, obwohl ich wider Erwarten geschlafen hatte wie eine Tote, traumlos und tief. Ich beschloss einen Spaziergang zu machen und kleidete mich an. Die kühle Luft würde möglicherweise meine Gedanken klären, die schon wieder um Willoughby kreisten.
    Im Haus war alles still, selbst das Mädchen war noch nicht aufgestanden. Ich schlich zur Haustüre und trat auf einen Brief, den jemand unter der Tür hindurchgeschoben haben musste. Er war an mich adressiert. Sofort erkannte ich Willoughbys steile Handschrift. Ich drückte das Papier an meine Brust und lehnte mich an die Wand. Ich hätte den Brief verbrennen können oder zerreißen – und genau das hätte ich tun müssen –, aber ich steckte ihn ein und ging nach draußen, durch den Obstgarten, und setzte mich auf die kleine Bank unter den Apfelbäumen. Ein Rotkehlchen sang und die ersten Sonnenstrahlen durchbrachen die Baumkronen. Was Willoughby wohl wollte? Ein weiteres Treffen? Bei dem Gedanken begannen meine Wangen zu brennen, und trotz der morgendlichen Kühle wurde mir heiß.
    Mit zitternden Fingern öffnete ich den Umschlag und schüttelte ungläubig den Kopf. Keine Anrede, kein Gruß, nur drei unverschämte Worte: Berühren Sie sich.
    Aufgebracht zerknüllte ich das Papier und schleuderte es ins taufeuchte Gras, nur um es gleich darauf aufzuheben und glatt zu streichen. Die Tinte war verwischt, aber noch immer waren die Worte zu lesen. Berühren Sie sich.
    Die Bilder des vorhergegangenen Tages standen klar und fast greifbar vor meinen Augen. Die nackten weißen Körper, die Bewegungen, die Empfindungen, die sich meiner bemächtigt hatten und gegen die ich nicht angekommen war. Willoughbys Körper dicht neben meinem, sein Atem auf meiner Haut, seine leise Stimme, seine Finger auf meinem Hals.
    Langsam schob ich die Hand in meinen Schoß und zog sie zurück, als mir bewusst wurde, was ich tat. Du bist verrückt, Marianne Dashwood, dachte ich, vollkommen von Sinnen. Ich sah mich um. Vom Haus aus war der Obstgarten nicht einzusehen, aber was, wenn jemand käme? Der Gedanke hätte mich endgültig ernüchtern müssen, aber ganz im Gegenteil, er erregte mich. Ich zog mein Kleid ein Stück nach oben und
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