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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten
Autoren: Oliver Buslau
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durch die Stille peitschte. Geflatter erfüllte die Luft. Die Enten stoben quakend davon.
    Carola drehte den Kopf. »Was war das?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, sagte Mike.
    Sie lauschten. Gerade als Mike das Gefühl hatte, dass sich die Atmosphäre wieder entspannt hatte, durchbrach erneut ein Geräusch die Stille. Ein Klatschen. Mike wollte etwas sagen, aber da war Carola auch schon aufgesprungen und rannte zur Bushaltestelle neben der Brücke. Unter dem Schutzdach für die Fahrgäste blieb sie stehen. Mike kam hinterher.
    »Komisch«, sagte sie.
    »Hast du auch das Platschen gehört?«, fragte er und kam sich dämlich vor. Warum sonst war sie wohl hier herübergelaufen?
    Carola deutete auf die Brücke. »Komm hier rüber.«
    Unter dem ersten Bogen gab es zum Wasser hin ein schmales Stück mit Steinen und Unkraut. Die Stelle war das inoffizielle Klo der Busfahrer, die hier an der Endhaltestelle ihre Pause machten. Carola quetschte sich an dem Geländer vorbei, das als Absperrung diente. »Da ist was ins Wasser gefallen. Hol mal die Taschenlampe«, sagte sie.
    Der Rucksack war noch auf dem Gepäckträger der Zündapp. Als Mike zurückkehrte, war Carola bereits in das Dunkel unter der Brücke eingetaucht.
    Mike schaltete die Lampe an und folgte ihr. Er balancierte über die Steine, und im wackelnden Kegel der Lampe sah er Carola, die schon am Wasser stand.
    »Leuchte mal da hinten hin«, sagte sie und deutete in Richtung des ersten Pfeilers, der wie eine schwarze Wand aus dem Fluss aufragte. Mike suchte die glatte Fläche ab.
    »Da schwimmt was«, sagte Carola.
    Mike kniff die Augen zusammen und bemühte sich, etwas zu erkennen. Im Lichtkegel wirkte das Wasser milchig, und es bildete Schlieren. Es schien ständig in Bewegung zu sein, dabei hatte die Mosel hier sehr wenig Strömung. Er musste sich konzentrieren, um zu sehen, was Carola meinte. Da war ein kleiner Schatten. Ein paar Meter entfernt.
    Carola ging auf eine Gruppe von Büschen und kleinen Bäumen zu. Sie begann an einem Ast herumzuzerren. »Wir bräuchten ein Messer oder so was.«
    »Haben wir nicht«, sagte Mike.
    »Dann hilf mir doch mal!«
    Mike packte mit an und spürte wieder das Stechen in der Schulter. Aber er ließ sich nichts anmerken. Eine Niederlage in dieser Nacht reichte.
    Schließlich hatten sie es geschafft, eine junge Weide mitsamt der Wurzel aus dem steinigen Boden zu ziehen. Mike spürte, dass er schwitzte. Carola zog den schmalen Stamm zum Wasser.
    »Mach die Taschenlampe wieder an«, sagte sie.
    Der Lichtkegel tastete die Wasserfläche ab, und sie bekamen das schwarze Ding wieder ins Blickfeld. Es war etwas weiter getrieben; der Abstand vom Ufer hatte sich aber nicht verändert.
    Carola schob den Stamm ins Wasser. Es gelang ihnen, den langsam dahintreibenden Gegenstand aufzuhalten und in Richtung Ufer zu bugsieren. Etwas Dunkles, Kompaktes tauchte auf, an der Oberfläche glänzend vor Nässe. Ein Griff wurde sichtbar. Carola bückte sich und zog. Es war ein Koffer. Ein Hartschalenmodell.
    »Jetzt fehlt nur noch, dass da Geld drin ist«, sagte Mike.
    Carola verzog den Mund. »Phantasie hast du. Das muss man dir lassen.«
    Gemeinsam zogen sie den Koffer an Land. Mike tastete nach den Verschlüssen. Ein paar Mal rutschten seine Finger vor Nässe ab, dann schnappten die Metallzungen nach oben. Er ließ den Kegel der Taschenlampe über den Inhalt gleiten.
    Es waren sauber gestapelte grüne Banknoten.
    »Das glaub ich nicht!«, rief Mike und tastete in den Koffer. Aber es gab keinen Zweifel. Das war Geld. Viel Geld. »Das sind Dollars«, stellte er fest. »Ob die echt sind?«
    Carola atmete laut aus und bückte sich. »Unglaublich«, murmelte sie. »Wie im Film.«
    »Ja«, sagte Mike.
    »Hast du schon mal Dollars in der Hand gehabt?«
    »Nein«, brachte Mike hervor. Er griff in den Koffer und nahm ein Bündel heraus. Die Noten fühlten sich glatt an. Wie Spielgeld. Und vollkommen trocken. »Morgen gehe ich damit auf die Bank. Mal sehen, was die sagen.«
    »Tu das wieder rein«, sagte Carola.
    »Aber warum? Das ist jetzt unser Geld!«
    »Blödsinn. Denk doch mal nach. Was glaubst du, wie es in den Fluss gekommen ist? Wir haben einen Knall gehört. Dann ist das Geld da runtergefallen. Zähl mal eins und eins zusammen.«
    Mike legte das Bündel zurück. »Du meinst, da hat jemand geschossen?«
    »Klang doch so, oder? Außerdem schmeißt keiner haufenweise Dollars in die Mosel.« Carolas Stimme wurde leise. »Verdammt, da könnte noch jemand
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