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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz
Autoren: Sara Paretsky
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Lichtschein von Arnie's Steak Joynt zu entziffern.
    »John L. Thayer. Stellvertretender Generaldirektor, Ft. Dearborn Bank and Trust, Treuhandgesellschaft«.
    Ich spitzte die Lippen. Es geschieht nicht oft, dass ich in die Gegend von La Salle Street komme, doch John Thayer war unbestreitbar ein sehr einflussreicher Mann in Chicagos größter Bank. Heiliges Kanonenrohr, dachte ich. Lass diesen Fisch bloß nicht durch die Maschen schlüpfen, Vic. Hier kamen die Kohlen!
    Ich steckte die Karte in die Tasche meiner Jeans. »Ja, Mr. Thayer. Wo liegt nun das Problem?«
    »Es handelt sich um meinen Sohn. Das heißt, um seine Freundin. Jedenfalls ist sie diejenige, die ...« Er hielt inne. Eine Menge Leute, insbesondere Männer, haben Schwierigkeiten, über ihre Probleme zu sprechen, und sie brauchen ein Weilchen, bis sie in Schwung kommen. »Hören Sie, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es Ihnen wirklich erzählen soll. Es sei denn, Sie hätten einen Partner oder dergleichen.«
    Ich schwieg.
    »Haben Sie nun einen Partner?« Er war hartnäckig.
    »Nein, Mr. Thayer«, sagte ich gelassen. »Ich habe keinen Partner.«
    »Also, das ist bestimmt nicht der richtige Job für ein Mädchen.«
    An meiner rechten Schläfe begann eine Ader zu pochen. »Nach einem langen Arbeitstag bei dieser Hitze habe ich mein Abendessen ausfallen lassen, nur um mich hier mit Ihnen zu treffen.« Meine Stimme war ganz rau vor Wut. Ich räusperte mich und versuchte, mein inneres Gleichgewicht wiederzuerlangen.
    »Sie wollten mir nicht einmal sagen, wer Sie sind, bevor ich Sie dazu drängte. Mein Büro passt Ihnen nicht, ich passe Ihnen nicht, aber Sie sind nicht einmal in der Lage, eine offene Frage zu stellen. Was wollen Sie eigentlich herausbekommen? Ob ich ehrlich bin oder reich oder hart im Nehmen oder was sonst? Wenn Sie Referenzen brauchen, dann sagen Sie es. Aber verschwenden Sie nicht auf diese Art meine Zeit. Ich habe es nicht nötig, Ihnen meine Dienste aufzudrängen - schließlich waren Sie es, der auf einem Termin mitten in der Nacht bestanden hat.«
    »Ich zweifle nicht an Ihren Fähigkeiten«, entgegnete er rasch. »Glauben Sie mir, ich will Sie wirklich nicht auf die Palme bringen. Aber Sie sind nun mal ein Mädchen, und es könnte eine harte Sache werden.«
    »Ich bin eine Frau, Mr. Thayer, und ich kann gut auf mich aufpassen. Könnte ich das nicht, so würde ich nicht in dieser Branche arbeiten. Wenn es Schwierigkeiten gibt, finde ich schon einen Weg, um damit fertig zu werden - oder ich versuche es zumindest. Aber das ist mein Problem, nicht Ihres. Wollen Sie mir jetzt also von Ihrem Sohn erzählen, oder kann ich nach Hause gehen und meine Klimaanlage einschalten?«
    Er dachte nach, während ich einige Male tief Atem holte, um mich zu entspannen und die Beklemmung in meiner Kehle loszuwerden.
    »Ich bin mir nicht sicher«, meinte er schließlich. »Es ist mir zwar äußerst zuwider, aber ich muss zugeben, dass mir keine andere Wahl bleibt.« Er blickte auf, doch ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. »Alles, was Sie von mir hören, muss streng vertraulich behandelt werden.«
    »Gebongt, Mr. Thayer«, sagte ich müde. »Es bleibt alles unter uns und Arnie's Steak Joynt.«
    Er holte tief Luft, entsann sich aber, dass er die versöhnliche Tour draufhatte. »Eigentlich handelt es sich um Anita, die Freundin meines Sohnes. Was nicht heißen soll, dass mit meinem Sohn Pete alles in bester Ordnung ist.«
    Drogen, dachte ich verdrossen. Diese Typen vom Nordufer haben doch nichts anderes im Sinn. Ginge es um eine Schwangerschaft, so würden sie einfach die Abtreibung finanzieren und fertig. Nun, ich durfte nicht wählerisch sein. Also produzierte ich ein aufmunterndes Geräusch.
    »Ja, diese Anita ist keine besonders angenehme Type, und seitdem sich Pete mit ihr abgibt, hat er ganz absonderliche Ideen im Kopf.« Seine Ausdrucksweise hörte sich merkwürdig umständlich an.
    »Ich fürchte, ich kann nur Tatbestände aufdecken, Mr. Thayer. Bezüglich der Einstellung Ihres Jungen kann ich nicht viel machen.«
    »Nein, nein, das weiß ich. Es ist nur - habe ich Ihnen schon gesagt, dass sie beide an der Universität von Chicago studieren? Sie leben dort in irgend so einer abscheulichen Kommune zusammen. Na ja, jedenfalls spricht Pete in letzter Zeit häufig davon, Gewerkschaftsfunktionär zu werden, statt Betriebswirtschaft zu studieren, und ich bin deshalb hingefahren, um mit dem Mädchen zu
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