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Savoir-vivre mit Hindernissen

Savoir-vivre mit Hindernissen

Titel: Savoir-vivre mit Hindernissen
Autoren: Frieda Lamberti
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bin, stört mich der Krach, den die Handwerker an unserem Haus verursachen, nicht die Spur. Im Gegenteil. Sobald ich keine Klopf- oder Sägegeräusche höre, laufe ich vom Hotel hinüber zur Baustelle und erkundige mich nach dem Grund für die Unterbrechung. Ich bin bei den Arbeitern gefürchtet und weiß, dass ich bereits Trägerin verschiedener Spitznamen bin, die mich nicht als trés charmant beschreiben. Egal. Hauptsache es geht voran.

Täglich halte ich Martin mit Bildern über den Baufortschritt auf dem Laufenden. Er betont immer wieder, dass er mir freie Hand lässt und er mir blind vertraut. Ich habe wieder die Alleinherrschaft und bestimme allein über Farben, Materialien und Möbel. Vorbei sind die Zeiten der Doppelspitze und ich frage mich, ob es tatsächlich blindes Vertrauen ist oder ob Martin sich schlicht weg nicht interessiert. Wir haben uns schon seit Wochen nicht gesehen. Immer wieder kommt er mit Ausreden, dass die Zeit für einen Wochenendtrip nicht ausreicht. Ich habe meine Renovierungskasse bereits reichlich geplündert und muss langsam auf die Ausgaben achten. Das Küchenstudio in Nizza fordert Unsummen und kann eine Lieferung erst in acht Wochen versprechen. Dann behalte deine Küche. Mein Wunschmodell ist in Deutschland sofort lieferbar und ich reserviere einen LKW bei einer Autovermietung und frage Sören und Franz, ob sie mir die Küche bringen und einbauen würden. Sie freuen sich und sagen sofort zu. Gib mir fünf! Aber es ist niemand da, der mit mir abklatscht.
   »Wann kommst du«, klage ich abends am Telefon. Martin entgegnet, dass er unbeschreiblich einsam ohne mich ist. Nun gut. 249 Euro für einen Flug nach Hamburg, sollte trotz der hohen Ausgaben noch drin sein. Ich buche einen Flug, um meinen Riesen zu überraschen. Er soll sich nicht einsam fühlen. Zusammen werden wir über Ostern das erste Mal in unserem neuen Zuhause übernachten. Kein Osterfrühstück im Kreise unserer Patchwork Familie, sondern ein romantisches Osterfrühstück nur für meinen Liebsten und mich.

Nach der Landung rufe ich ihn an. Natürlich verrate ich ihm nicht, dass ich vor dem Flughafen Fuhlsbüttel gerade ein Taxi besteige. Er ist noch in der Firma. Marathonsitzung mit allen Gesellschaftern, erklärt er. Ich weiß Bescheid und bitte den Taxifahrer, mich in die Hafencity zu fahren. Aber ich staune. Der Parkplatz ist leer. Nur Martins Porsche und ein dunkelblauer Polo stehen vor dem Firmengelände. Die Tür ist nicht verschlossen und ich betrete die Geschäftsräume, ohne mich lautstark bemerkbar zu machen.
   »Du hast den Schalk im Nacken, Julia«, höre ich ihn lachen. Die Tür zu seinem Büro steht einen Spalt offen. Weit genug, um einen unbemerkten Blick hineinzuwerfen. Julia sitzt auf seinem Schreibtisch und füttert ihn mit Sushi. Und Martin grinst. Ich habe das Gefühl, dass sich das gesamte Blut aus meinem Kreislauf in meiner Magengrube sammelt.
   »Hm, lecker«, höre ich ihn sagen. »Das ist eine Premiere. Ich habe noch nie zuvor rohen Fisch gegessen.« Ich will seine Premierenfeier nicht stören und gehe fassungslos zurück auf den Parkplatz.
   »Du hinterhältiger Arsch!«, fluche ich lautlos und rufe mir ein Taxi. Es bringt mich zu Anja, während ich darum bete, dass der Fisch mit Salmonellen verseucht ist und die beiden Turteltäubchen die Nacht mit unbändigen Krämpfen auf dem Klo verbringen müssen.

»Nie und nimmer betrügt er dich. Er liebt dich. Erst letzte Woche habe ich ein Gespräch zwischen ihm und Gerald angehört, in dem er sich geradezu über seine Liebe zu dir ergossen hat. »Sie liebt meine Tochter, sie mag sogar meine Mutter und ich kriege nicht genug von ihr«, soll er gesagt haben.
   »Diese Julia ist fast halb so alt wie ich und sie füttert ihn. Während ich altes Scharnier von ihm erwarte, dass er allein isst. Sag, was habe ich da für Chancen?«
   »Du spinnst, Lotte.«
   »Nein, ich sehe völlig klar. Er beschäftigt mich seit Wochen mit dem Haus. 1700 km weit von ihm entfernt. Weit genug, um ungestört eine Affäre mit einer Jüngerin anzufangen. Kein Wunder, dass ihn nichts interessiert, was mit dem Umbau zu tun hat. Er hat Wichtigeres im Kopf. Julia Stöver, 27 Jahre jung und ledig.«
   »Martin und eine Affäre?«
   »Stell dich nicht dümmer an, als du bist. Mit mir und ihm hat es genau so angefangen. Er hat keine Skrupel.«
   »Wenn das stimmt, dann bist du selber schuld. Warum hast du ihn nicht längst geheiratet.
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