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Savoir-vivre mit Hindernissen

Savoir-vivre mit Hindernissen

Titel: Savoir-vivre mit Hindernissen
Autoren: Frieda Lamberti
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große Villa älteren Baujahres in den Anhöhen mit freiem Blick auf das Meer. Mein Blick fällt nicht wie vorgeschlagen auf die blaue Bucht, sondern auf die hohen Baukräne, die zahlreich auf den Nachbargrundstücken stehen und für die nächsten Jahre reichlich Lärm voraussagen. Vermutlich war das die schnellste Besichtigung, die Madame je durchgeführt hat. Weiter geht es zum nächsten Objekt.

Ein Landhaus mit 6 Zimmern und direktem Zugang zum Meer. Klingt vielversprechend.
   »Une maison bord de mer«, lobt die Maklerin die direkte Meerlage. »Die Franzosen lieben es. Objekte dieser Art sind ganz besonders begehrt und äußerst rar.« Dass genau vor dem Eingang des Hauses die Schnellstraße verläuft, hat sie versäumt, zu erwähnen.
   »Wir lassen es besser in französischer Hand«, sage ich und steige erst gar nicht aus dem Wagen aus.

Eine Villa am Golfplatz ist unser nächstes Ziel. Beim Anblick der Golfsportler, die offensichtlich alle im Einheitsdress gekleidet sind, vergeht mir gleich die Lust.
   »Madame, ich suche kein Ferienhaus. Ich will hier nicht einmal im Jahr Urlaub machen, sondern hier irgendwann meinen Lebensmittelpunkt haben. Bitte zeigen Sie mir keine Clubhäuser und keine Ferienobjekte. Meerblick wäre wunderbar, ist aber nicht zwingend.« Sie überlegt und schlägt uns vor, einige Kilometer ins Landesinnere zu fahren. Dort wartet eine restaurierte Bastide auf einen neuen Besitzer.

Nach zwanzig Kilometer durch die Serpentinen erreichen wir ein Waldgrundstück.
   »Hat es hier gebrannt?«, fragt Anja beim Anblick der verkohlten Bäume. Die Maklerin zieht die Brauen hoch und erklärt, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass es im Hochsommer in dieser Region zu Waldbränden kommt. Das aus Natursteinen erbaute Mas hat Charme. Mehr aber auch nicht. Bei einer Deckenhöhe von knapp zwei Metern müsste mein Riese allerdings die ganze Zeit in Bückstellung laufen.
   »Hat die sich etwa auf Schrottimmobilien spezialisiert?«, fragt Anja und zieht sich die Schuhe aus. »Wo sind die Luxusvillen, die du mir auf dem Papier gezeigt hast?« Anja kramt die Exposés aus der Mappe und reicht sie Madam Joulivez zur Ansicht. Die Maklerin unterzieht uns einem prüfenden Blick und merkt an, dass es sich bei diesen Angeboten um Häuser für ein besonderes Klientel handelt.
   »Wo Geld keine Rolle spielt, wenn Sie verstehen was ich meine, Frau Talbach.« Nein ich verstehe nicht. Meint diese Maklertussi, wir könnten uns diese Häuser nicht leisten? Glaubt sie tatsächlich, ich würde meine Zeit an der Cote d’Azur damit verbringen, mir Villen anzuschauen, die ich mir gar nicht leisten kann. Hält die mich etwa für blöd? Egal. Ich halte sie für blöd und beschließe, dass sie nicht einen Euro Provision durch mich verdienen wird. Was für ein Reinfall. Der erste Tag meiner Immobiliensuche endet enttäuschend und mit zwei dicken Blasen an meinen Füßen.

»Sie sollten sich einmal in Port Grimaud umsehen. Eine Lagunenstadt. Wie Venedig. Das ideale Domizil für Segler. Es gibt Häuser und Wohnungen mit direktem Liegeplatz vor dem eigenen Garten«, sagt Kapellmann. Christopher reicht mir eine Visitenkarte von der Firma Prestige Immobilien und rät mir, mich an Jerome zu wenden. Während ich meine geschundenen Füße versorge, wird in der Küche wieder lecker gekocht. Ich habe einen unbändigen Hunger, denn das Butter Croissant vom Morgen war das Einzige, was ich meinem Magen heute gegönnt habe. Ich schließe mein Notebook an und gehe auf die Webseiten der empfohlenen Immobilienfirma. Die Kaufpreisforderungen treiben mir die Tränen in die Augen. Das ist nicht meine Welt. Das habe ich mir nie erträumt. Ein einfaches Haus im Süden. Keinen Prunkschuppen und auch keine baufällige Bruchbude. Ist denn das so schwer zu kapieren? Jerome hat vornehmlich Objekte direkt in Saint Tropez im Angebot. Unter fünf Millionen ist da gar nichts zu machen. Ich zerreiße die Visitenkarte gleich und schreibe Martin eine Mail.

Heute war kein guter Tag. Bin total erledigt und frustriert. Habe es mir einfacher vorgestellt. Bin traurig und vermisse dich. Deine Lotte

Nur wenige Minuten später erhalte ich Antwort.

Mission Savoir vivre gescheitert? Dann komm nach Hause. Ich vermisse dich auch. Kuss Martin

Ha! Da kennt er mich aber schlecht. Charlotte Talbach und aufgeben? Nicht nach so kurzer Zeit.

Anja und ich sind die einzigen Gäste, die Abendessen bestellt haben. Nicole fragt, ob es uns etwas
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