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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher
Autoren: Dirk Bernemann
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ganz gut, wenn ich mich mal essen lasse von so einem noch viel kränkeren Kannibalen, der mich erst häutet, bevor er mich in den Topf wirft, und ich nehme mir vor, ihn vorher zu fragen, was denn am besten schmeckt. Herz, Lunge, Leber oder doch das Rückenmark." Sonja ist nicht entsetzt von sich, sondern erkennt plötzlich ihr Leben vor ihren Augen in einer bislang unerkannten Deutlichkeit.
    Als Sonja dann abends ihre kleine Studentenbude betritt und es stinkt, weil hier ein Mensch wohnt, der sich selbst sucht und daher nicht immer dem Mülleimer die notwendige Zuwendung geben kann, die er verlangt, geht sie zum Schreibtisch. Sie entscheidet sich, sich der Welt dann doch noch mal mitzuteilen. Über Gedichte. Erst mal eins. Ihre Vergangenheit war zwar auch schon geprägt vom erzählenden Wort, aber zumeist nur gelesen. Hesse, Adorno, Marx, Kant, Fromm, Fried und wie sie alle heißen. Alle haben sie Sonjas Leben reich gemacht, doch wahren Reichtum, das weiß auch Sonja, findet man nicht in Worten. Auch die schönsten Worte können die größte Scheiße nicht geruchsneutral zaubern. Sie schrieb schon als Kind, doch über groben Unfug gepaart mit mittelguten Wortspielen kam sich nicht hinaus. Dann hat sie aufgegeben, kreativ mit Worten zu sein, aber sie schnitt die poetische Pflanzenur an der Wurzel ab, sie rupfte das Bedürfnis nie ganz aus ihrem Bewusstsein.
    Schreiben will sie, sie hat ein Mitteilungsbedürfnis, das immer stärker wird. Mitteilen. Über Worte. Zeilen, die verweilen sollen, die in Ohren klingeln sollen ... Sie dreht sich eine Zigarette und entzündet diese mit einem Streichholz. Zieht sich den Aschenbecher ran und schaut an die Wand, während sie kräftig Lungen verschmutzend inhaliert. Dann nimmt sie sich einen Kugelschreiber und einen weißen Zettel und lässt Magie flattern. Sie weiß nicht, worüber sie schreiben soll, aber sie tut es einfach. Alles ist so einfach, denkt Sonjas Kopf und steuert ihre Hand über das Papier. Sie schreibt.
Lebensweg
    Geburtskanal, durchs Blut gerauscht Jeder Atemzug ist jetzt Ein Schrei, bedürfnisorientiert und Kalte Augenblicke später ist es Der Schlag, der mich trifft Und erniedrigt und kein "Warum" Wird jemals beantwortet sein Wirre Wiegenlieder verspäten sich Und Singen ist für Ohren, nicht für Stimmen Eifrig wedelndes Sonnengelb Durchquert quietschend schallendes Unschuldslachen Emsig wuselndes Feuerrot Kleines Auto, Kiste Sand, Burg und Wasser Streift hoffnungsvoll kunterbunte IdealismusbergeMutterhände halten Vaterhände arbeiten So bricht ein Riegel Schokolade Die Notwendigkeit des Seins entzwei Kummerlose Kindertage Gedankenamok, Zuversicht Es gilt zu vernichten, es gilt zu zerstören Eklatant wucherndes Tannengrün Durchbricht zaghaft zweifelnde Erkenntnistürme Euphorisch wogendes Mitternachtsblau Bedeckt unaufhörlich schwellende Fragebogen Und Zeigefreudigkeit, oh Jugend, du Drecksau Entzaubertes Erwachsenwerden An der Schwelle zu irgendeinem Irgendetwassein Verspielte Jugend Böses Gedankengut in allzu freundlichen Gesichtern Erniedrigt wimmerndes Anzuggrün Durchtrennt mühevoll gestaltete Verbindungslinien Entfärbt willenloses Leichenschwarz Demaskiert wütend starkstromgespeiste Verdrängungsmechanismen Wir haben den Müll getrennt jetzt sind wir allein ...
    Leidvoller Lebensabend Dann begreift man doch nur das Sterben Das Ende holt doch jeden ein, der es Bis dahin aushält, die Entscheidung ob Ist wichtiger als die Entscheidung wie ...
    Alles geht, wenn das ins Wissen kleine Anker wirft ...
    Verfallen mit allen und allem uns umgebenden Sind wir einander verschweißt, das Scheißleben Und meine billige Wenigkeit, aber Es geht, es ist: Eine Art große Sache Ich lache ...
    Nach dem Verfassen dieser Worte denkt Sonja an ihr Leben und ist eigentlich voller Zuversicht. Dieses Zeitteil aus vielen Momenten, dieses Patchworkleben ist doch lebenswert und liebenswert. Alles ist eine Art große Sache. Aber eben nur ein Sache. Leben, weiß Sonja, funktioniert nicht mit Sachen, sondern mit Gefühlen und dem Terror der Eigenwilligkeit. Ihr Individualismus macht Wunderkerzen an und Seifenblasen tanzen virtuell durchs Zimmer. Es ist ein Glück. Es ist ein Glück. Es geht ein Glück. Wie schön.
    Weiterlachen.
    FUCK: THAT: SHIT
... die nicht wissen, dass sie Nasen haben
    Das Zimmer ist viel zu warm. Die Heizung macht die Wangen rot und die Fliegen tot. Zwei Menschen versuchen Einheit. Konnte ich noch nie sein, denkt der eine Teil und Ich habe ein Loch im Kopf,
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