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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher
Autoren: Dirk Bernemann
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siebzehn hat man noch Träume" heißt ein alter Schlager, den sie vor sich hinsummt, und weiter konstatiert der Schlager, dass dann noch alle Bäume wachsen würden in den Himmel der Liebe, natürlich. Ja, wohin denn auch sonst.
    Unterdessen ist auch bei Hubert Ruhe eingekehrt der Abwesenheit seiner Gattin wegen. Er entspannt sich, hat sogar kurzzeitig eine Erektion, als er ein warmes Brötchen anfasst. Die Penetranz in Person scheißt derweil ihre Liebe ins Klo. Hubert schließt die Augen. Sekunden voller Glück umtanzen sein Bewusstsein und nur, weil sie gerade kacken muss. Er fühlt sich wie im Urlaub auf irgendeiner karibischen Insel. In ihm drin bunte Cocktails, an ihm dran Sonnenstrahlen und die Hände von kleinen Strandnutten, die natürlich nur auf ihn gewartet haben. Begehrenswert fühlt er sich in seiner verdorbenen, autistischen Welt. Kleine Hände an seinem Schwanz, während er an Cocktailhalmen süßen Rausch in sich saugt. Eine Klospülung unterbricht säuselnd und plätschernd den Egourlaub. Dann hört er Schritte in seine Richtung und nimmt schnell die Zeitung wieder hoch und seine miese Grundstimmung wieder auf.
    Karla setzt sich wieder hin und meint, ihr Kaffee würde irgendwie gelblich schimmern. Nach Wohlstandspisse riechen obendrein.
    Den trink ich nich' mehr, denkt sie, meines Gatten krankhaft-wahnsinniger Urin im koffeinhaltigen Heißgetränk für Erwachsene muss ja nicht sein. Sie hat ja noch Brötchen dastehen und die Tina liegt mit breit geöffneten Seiten konsumierbar vor Karla. Sie nimmt die Zeitschrift an sich, ohne den Plan diese zu lesen, sondern nur mit der Idee, sich dahinter zu verbergen. Karla will ihr Gesicht nicht zeigen. Hubert auch nicht, besser sind da schon die Belanglosigkeiten der Alltagspresse.
    Zu einer Zeit, als in diesem Haus noch zwanghaft kommuniziert wurde, weil da Kinder waren und mehr Leben drin war, haben sich die Eheleute einen Plan eines Samstages gemacht. Hubert findet nun irgendwo auf der Arbeitsfläche der Küche einen Zettel und ergibt sich in das Schicksal des Zum-Einkaufen- Geschickten. Wortlos geht auch das. Hubert einkaufen, Karla putzen. Jeder hier kennt das, jeder hier macht das. Immer. Reine Routine findet hier statt. Es hat noch keiner ein Wort gesagt bis auf den Nachrichtensprecher, der aus dem Radio leise Katastrophen flüstert von Terrorismus und Innenpolitik. Das Geld ist da, weil der Hubert, der hat ja Arbeit. Baustelle. Der Kran, den er lenkt, symbolisiert eine hohe Verantwortung. Das kann man nicht einfach so machen und leider kann man es auch nur montags bis freitags machen. Und jetzt ist Samstag, ist Selbstmord und zumindest besteht die Möglichkeit der Kurzzeitflucht durch den Lebensmitteleinkauf. Der folgende Sonntag wird auch ohne Leben sein, nur das verzweifelte Zucken des Sich-aus-dem-Weg-gehens. Vermeidungsstrategien, lange Aufenthalte in Räumen, in denen man alleine ist, wie Bad oder Küche. Schweigende Fernsehzerstreuung. Das Schlafengehen ohne Lust und ohne intensive Müdigkeit, weil der Tag einfach mit nichts außer Gedankenamok gefüllt war.
    Karla räumt Frühstücksutensilien in die Spülmaschine, ihren Kaffee gießt sie aus eben genannten Skepsisgründen in die Spüle, wo er schwarz tropfend versackt. Jetzt geht Hubert kacken. Irrer Frohsinn auf beiden Gesichtern. Aber keiner zeigt sein Gesicht dem anderen. Mann freut sich aufs Ausscheiden, Frau aufs Alleinsein in der Küche. Etwas fehlt, schreit das Leben, obwohl alles vorhanden ist. Obwohl alles an seinem Platz ist.
    Die Gewissheit ist in beiden Köpfen: Ehe ist nicht dazu da, um glücklich zu sein, es geht darum, sich nicht zu langweilen. Und wenn man sich doch langweilt, so wie es hier der Fall ist, bleiben immer noch Mordfantasien. Und dreckiger Hass, der den Kopf bis an den Rand füllt und die Schädeldecke von innen deformiert. Gedanken wie bösartige Tumore. Kommen. Kommen. Kommen.
    Hubert auf dem Klo, auch er hat einen Schlager im Kopf, den er früher mit Trinkfreunden und willigen Beiwerksmädchen gebrüllt hat. Während stressige, braune Suppe aus seinem Anus in die Schüssel klatscht, denkt Hubert ein Lied, ein Lied aus seiner Jugend. Udo Jürgens, der mit immer gleicher Frisur Generationen deutscher Frauenherzen entflammt hat. Ein Lied über Sehnsucht: "... ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii, einmal verrückt sein und aus allen Zwängen flieh'n ..." Wie viel Wahrheit in diesem Lied steckt, merkt Hubert, als er eine rasende Mordlust
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