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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher
Autoren: Dirk Bernemann
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alleingelassen. Weit weg von der Wichtigkeit des eigenen Seins fühlen sich Hubert und Karla wie Eiterbeulen kurz vorm Zerplatzen. So dünn die Haut über dem gelben Schleim.
    Die Kinder, die es gibt, sind äußerlich gesund, drinnen haben sie die Genetik ihrer Eltern. Hubert und Karla sind ahnungslose Eltern. Sie haben zwei Jungen das Leben geschenkt, die aber schon in freier Wildbahn umherrotieren und sich ihr genetisches Material meistens anders wünschen.
    Hubert und Karla am Anfang eines Morgens. Beide stehen also aus lauter Gewohnheit auf. Es ist halt so. Und wenn sich das nicht ändert, bleibt das so. Das Gefühl im Inneren eines Vulkans, dessen Ausbruch nur noch Formsache ist. Es brodelt in ihren Gehirnwindungen. Es dampft und zischt durch ihre Adern. Der ganze Körper im Widerstand stehend. Mann gegen Frau. Es ist wie Magnetismus, zwei Pole, die sich abstoßen. Nur Opposition ohne Regierung. Auch die Selbstverwaltung der eigenen Gedanken leidet unter dieser Grundstimmung.
    Die Frau geht in die Küche, kümmert sich um den Tisch, stellt den voll mit Sachen, holt die Zeitung ins Haus. Die Frau steht vor demHaus. Guckt auf die Straße raus. Sieht dieses Scheißauto und kriegt Bauchschmerzen vor unausgesprochener Abneigung. Dieses Sich-inden-Alltag-spülen-lassen macht so unglaublich müde. Das symbolisiert ihr Blick auf die Straße, auf die Fassade der anderen Häuser, in denen auch Paare wie Hubert und Karla leben. Hinter diesen Wänden wohnen ebenfalls Menschen aus Abneigung und kaputter Sympathie.
    Das motorisierte Statussymbol ihres Mannes. Es steht da und hat eine negative Ausstrahlung. So wie dieser Tag. Tiergeräusche dringen vom Vorgarten her in Karlas Ohren. Leidvolles Tierwimmern. Nachbars Miezekatze kotzt miese Miezekotze, weil sie vom dummen Dünger aß, den Hubert an die Pflanzen gemacht hat. Die Frau guckt der Katze zu, die sich theatralisch auf den Bürgersteig erbricht, dabei ihren kleinen Katzenschädel auf den Asphalt donnert, und geht wieder rein. Die Katze erliegt dem dummen Dünger, bricht formlos zusammen vor der Tür. Der Garten ist aber, scheiße noch eins, grün und in vollster Blüte.
    Der Mann ist im Bad. Rasiert sein altes Gesicht. Sieht seine Haare, die sich um den Kamm wickeln und dranbleiben am Scheißkamm. Sieht sein Gesicht nach der Rasur. Sieht sich verfallen. Sieht sich als zusammengeknülltes Handtuch. So sieht nämlich sein Gesicht aus. Besser geht es nicht mehr. Die Frau hat laut Mann Schuld dran. Das Altern geht schneller bei hohem Nervfaktor. Eine sehr einfache, aber wahre Formel.
    Guten Morgen, happy Kaffee, Schatz. Da ist ein Haus der Lüge, darin wohnen zwei sehnsüchtige Menschen und alles ist so sauber. Eine breite Hausfrauenzunge hat scheinbar die Fugen zwischen den Fliesen im Wohnzimmer geleckt. Ein sexuell frustrierter Fettsack hat scheinbar alles Unkraut des kleinen, bunten Vorgartens an der Wurzel abgehackt. Ein gewaschener Wagen vor derTür. Hier wohnen gute Menschen, die wählen gehen, Freunde zum Grillen einladen und Bioprodukte genetisch veränderten Produkten vorziehen. Hier guckt man die Lindenstraße, die Tagesschau und den Tatort. Hinter diesen Mauern. Mann und Frau in gewohnter Zwietracht. Und das schon seit über dreißig Jahren. Keiner kann mehr genau sagen, was da mal war, warum man sich fand und nicht einfach ein anderes Wesen gefickt hat und danach links oder rechts liegen ließ. Güte strömt durchs Haus. Die Fassade glänzt.
    Hubert am Kaffeetisch. Karla auch. Kein Blick, warum auch? Blicke machen nichts. Blicke verändern nichts. Blicke töten nicht. Beide sind sie 55 und es ist ein Samstag und was soll man schon machen. Sitzen sie also rum um diesen Kaffeetisch. Hubert die verlogene Tageszeitung, Karla eine dumme Illustrierte lesend. Das lässt keine Blicke zu. Auch die Notwendigkeit von Worten scheint nicht zu bestehen. Dafür aber eine Menge Gedanken.
    Der Tisch ist gedeckt mit Hass, Eierbecher, Untertasse, Tasse, Teller, kleiner Löffel, großer Löffel, Gabel, Messer, Blutmarmelade. Hubert und Karla frühstücken. Marmelade in die Wunde des durchgeschnittenen Brötchens. Salz auf die Eier, denen man die Köpfe abgeschlagen hat. So würde man das gern mal mit dem Gegenüber machen. Den Kopf mit dem scharfen Messer ab und kiloweise Salz in die Wunde und dann in Ruhe den Kaffee in die Tasse und den Ehepartner ausbluten lassen. Dann ein Brötchen geschmiert. Und irgendwas gefühlt zwischen Fernsehgarten und dem Morgenmagazin. Auf jeden Fall
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