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Sascha - Das Ende der Unschuld

Sascha - Das Ende der Unschuld

Titel: Sascha - Das Ende der Unschuld
Autoren: Andy Claus
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atmete flach, um den abgestandenen Geruch nicht so intensiv wahrzunehmen und sah sich um. Ringsherum auf dem Boden verteilt lagen schmutzige Matratzen und Decken. Im diffusen Licht sah Sascha, dass nur zwei der Matratzen belegt waren. Überall standen Kerzen auf dem fleckigen Holzboden. Außer zwei wurmstichigen Stühlen gab es keine Möbel. Die Küchenzeile war demoliert, die Schränke waren teilweise ohne Türen und mit verschiedenfarbigen Krusten beschmiert. Quer durchs Zimmer hatte jemand eine Leine gezogen, auf der Wäsche hing und die Fenster waren mit alten Decken verhangen.
    Direkt unter einem riesigen, grauschwarzen Wasserfleck an der Wand mit der teilweise in Fetzen herunterhängenden Tapete lag ein Mädchen, das Sascha nicht kannte. Neben ihr brannte ein Grablicht, das wie ein Orakel für die Zukunft der Kleinen wirkte. Der rote Schein beleuchtete einen Teelöffel, die daneben liegende Spritze und den abgeschabten Kunstledergürtel, der locker noch immer um ihren Arm hing. Als Sascha weiterging, kickte er mit dem Fuß ein Fläschchen Zitronensaftkonzentrat weg.
    „Und wo soll ich hier schlafen?“, fragte Sascha kleinlaut.
    „Hau dich irgendwo hin, ich bleibe heute auch hier. Das Klo ist übrigens unten am Ende des Flurs und da ist auch die Dusche.“ Sascha mochte sich gar nicht vorstellen, wie dieses Bad wohl aussehen würde, konnte aber nicht verhindern, dass er auf die Toilette musste. Er versuchte, den Grünspan, der die alten Bleirohre überzog, nicht zu sehen. Es fiel ihm schwer. Sein Blick fiel auf die verrostete Schiene, von der ein vergilbter Plastikvorhang hing. Die Ösen waren bis auf drei bereits ausgerissen. Jemand hatte mit mittlerweile verrostetem Draht versucht, das spröde Plastik nicht herunterfallen zu lassen. Er warf einen Blick in den halbblinden, fleckigen Spiegel und konnte sich dort kaum erkennen. Eine nackte Glühbirne baumelte armselig von der Decke und beleuchtete eine schmutzige Toilette, deren zerbrochener Plastikdeckel in der Ecke daneben lag. Das graugelb verfärbte Waschbecken schien zum Aschenbecher umfunktioniert worden zu sein, der Abfluss wurde von durchweichten Kippen blockiert. Durch das provisorisch mit einer Alditüte abgeklebte Loch in der Fensterscheibe kam die Märzkälte herein. Sascha konnte sich nicht vorstellen, hier zu duschen. Und das sollte seine Zukunft sein?
    Er schüttelte sich und ging zurück ins Zimmer, wo Marc auf ihn wartete. Sie mussten noch einmal zurück zum Bahnhof, denn Sascha wollte heute das erste Mal Geld verdienen. Es passte ihm zwar nicht, für diese dreckige Unterkunft zu zahlen, aber Marc hatte ihm schon im Vorfeld erklärt, dass er sich nicht davor drücken konnte. Diejenigen, die beinahe ständig hier wohnten, achteten rabiat darauf, ihre Miete zusammen zu bekommen, es hatte oft Streit gegeben. Dabei ging immer die Sage um, dass nur einmal jemand versuchte, den bereits zusammengesparten Betrag aus der dafür vorgesehenen, verbeulten Blechdose zu entwenden. Man erwischte ihn und es war sicher, dass er es kein weiteres Mal ausprobieren würde, nachdem er zusammengeschlagen im Straßengraben aus seiner Ohnmacht erwachte. Also gab es für Sascha keinen anderen Weg, als sich Geld zu beschaffen.
    „Ich glaube, jetzt ist es ein bisschen spät für den Bahnhof, meinte Marc nach einem Blick auf seine Uhr. „Die machen dicht, und wenn die weißmützigen Bullen im Rudel unterwegs sind, traut sich sowieso kein Freier hin. Aber das ist kein Problem, gehen wir eben woanders hin.“
    Sascha hatte ein merkwürdiges Gefühl in dieser ersten Nacht, in der er so lange unterwegs war und außerdem nicht vorhatte, überhaupt nach Hause zu gehen. Anders als Marc wollte er nicht mehr in die Schule gehen, denn dort würde man ihn naturgemäß zuerst suchen. Er war sich bewusst darüber, dass er von diesem Tag an ständig auf der Flucht sein würde, aber das war seine fragliche Freiheit ihm wert. Es musste einfach etwas passieren, und zwar jetzt. Außerdem konnte er sich etwas Besseres suchen, wenn er erst einmal gut verdiente. Wenn er wirklich soviel Geld machen konnte wie Marc gesagt hatte, war ein eigenes Zimmer bald kein Problem mehr. Es gab vielleicht einen Weg, die üblichen Mietverträge zu umgehen oder einen Volljährigen zu finden, der für ihn den Vertrag machte. Und eines wusste Sascha ganz genau – er würde sparsam sein, damit er niemals wieder ohne Geld dastehen musste.
    Alles in allem stellte er sich die Zukunft noch um einiges einfacher
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