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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum
Autoren: Markus Heitz
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schon, einem bangenden Vater, dass ich nicht eher handelte, wie Ihr es bei Eurem Sohn Antoine getan habt.«
    »Ich werde nichts erzählen, mon Seigneur. Das gelobe ich.« Jean stand auf. »Was ist mit seiner Gespielin, die meinen Antoine zum Loup-Garou machte? In welcher menschlichen Gestalt verbirgt sie sich?«
    »Ich kann es euch nicht sagen. Ich habe die Ausgeburt der Hölle nur einmal gesehen, in ihrer abscheulichen Gestalt. Doch soweit ich weiß, ist sie fort, und ich lasse bereits von meinen Männern überall nach ihr suchen. Überlasst sie mir, damit Ihr das blutige Handwerk nicht allein ausüben müsst.« Der Marquis strich gedankenverloren über das Silberbesteck.
    »Ja, mon Seigneur.« Jean wollte gehen, da ergriff der Marquis seinen rechten Ärmelaufschlag.
    »Eines noch: Tötet meinen Sohn schnell, Chastel. Auch wenn er Euch unvorstellbares Leid zugefügt hat, rächt Euch nicht auf diese Weise. Bedenkt, dass er wie Euer Sohn Antoine ein Opfer geworden ist.«
    »Wenn es in meiner Macht liegt, wird ihm eine einzige Silberkugel aus dieser Muskete die Erlösung bringen.« Jean verneigte sich vor dem alten Marquis und verließ eilends das Schloss.
    Die Sorge um die einzige Person, für die er noch inbrünstige und aufrichtige Liebe empfand, trieb ihn vorwärts, geradewegs zu dem Pferd, das er sich für sein letztes Geld gekauft hatte.
    Als er sich in den Sattel schwang, bemerkte er den roten Kratzer am Handgelenk, den er seit jenem Tag trug, an dem er Antoine getötet hatte.
    Er war noch immer nicht verheilt.
    Und er brannte wie Feuer.

I.
KAPITEL

    Kroatien, Plitvice, 23. November 2004, 10:11 Uhr

    Es schneite so stark, als wolle Gott die Sünden der Welt unter einem dichten, weißen Mantel verbergen.
    Eric von Kastell saß in der kleinen Wartehalle des Gelegenheitsflughafens und hasste das Wetter. Der Kaffee, den er von einer netten Mitarbeiterin bekommen hatte – der einzigen Mitarbeiterin – war unglaublich stark und schrie nach einem halben Liter Milch und einem Pfund Zucker. Obwohl er beides nicht bekam, trank Eric die schwarze Brühe. Immerhin wusste er, dass sie seinem Herz keinen bleibenden Schaden zufügen konnte. Zumindest diese eine Sicherheit war ihm geblieben.
    Er trug einen Schneetarnanzug und einen schwarzen Mantel darüber, in der Linken hielt er die Tasse, in der Rechten das Handy, das seit dem Anruf seiner Schwester hartnäckig schwieg. Kein Anatol, keine Justine. Es blieb tot. Tot wie die Nonne im Hotel.
    Eric stand auf, schaute aus dem Fenster und versuchte, die graue Wolkendecke, die gelegentlich zwischen den weißen Flocken zu erkennen war, mit wütenden Blicken zu verscheuchen. Er musste hier weg, so schnell wie möglich. Lena brauchte ihn. Er brauchte Lena. Dringend.
    Hinter ihm klapperte eine Tür, kalter Wind ließ ihn frösteln und trug ihm den Geruch eines unbekannten Menschen zu. Dem süßen Parfüm nach zu urteilen war es eine Frau, obwohl die modernen Unisexdüfte es seiner Nase zunehmend schwerer machten, zwischen den Geschlechtern zu unterscheiden. Eine Nylonjacke raschelte, Stiefel polterten gegen den Türrahmen, Eisstückchen fielen klirrend auf den alten Linoleumboden und zerbrachen.
    Er nippte an der Tasse und wandte sich langsam um. Er sah eine Frau in einer dicken, hellgrünen Daunenjacke, die ihren Kopf mit einer Sturmmaske vor dem eisigen Wetter schützte; darüber trug sie eine Mütze und einen Schal. Für einen Augenblick wünschte sich Eric, dass es seine Halbschwester Justine wäre, dass sie sich nur einen Scherz mit ihm erlaubt hatte. Doch natürlich wusste er, dass es nicht so sein konnte. Justine machte keine Scherze. Das lag, wie er widerwillig zugeben musste, in der Familie.
    Die Frau knotete den Schal auf, zog Mütze und Haube ab und ging zum Schreibtisch, hinter dem die Flughafenmitarbeiterin saß und ein Computerspiel spielte. Sie führten eine kurze Unterhaltung auf Kroatisch, dann gab ihr die Blonde eine Mappe. Die Mitarbeiterin öffnete sie und nahm Stempel und einen Stift zur Hand. Frachtpapiere.
    Anscheinend fehlte etwas. Die Frau tastete an sich herum, wühlte zuerst in den Außentaschen, dann öffnete sie die Jacke, die Hand glitt in die Taschen des Innenfutters. »Verdammt«, fluchte sie. »Wo ist denn …« Von ihr unbemerkt fiel ein gefaltetes Blatt Papier heraus und segelte unter den Tisch.
    Eric trat zu ihr, bückte sich, hob den Zettel auf und reichte ihn ihr. »Suchen Sie den?«
    Sie sah ihn verwundert an, danach richteten sich ihre
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