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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum
Autoren: Markus Heitz
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hatte die Taten seines Sohnes zu lange gedeckt und hätte es weiterhin getan, wenn er nicht erschienen wäre, um ihn zur Rede zu stellen. »Das Feuer im Kloster ist sein Werk, mon Seigneur, daran gibt es keinen Zweifel für mich. In den Flammen starben mein zweiter Sohn und seine Verlobte.« Er sah dem Marquis fest in die Augen, doch merkte schon, wie ihn seine Gefühle zu übermannen drohten. »Das Sterben muss enden.«
    »Ihr … Ihr verlangt das Leben meines Sohnes?«
    Jean berührte den Lauf seiner Muskete. »Ich habe allen Grund, danach zu trachten. Und wenn wir ihn nicht aufhalten, mon Seigneur, wird er weiter sein Unwesen treiben und mit der Frau noch mehr Bestien erschaffen. Denkt an die Menschen Eurer Heimat!« Er sank vor dem Marquis auf die Knie und hob bittend die Arme, die leeren Handflächen nach oben gereckt. »Helft mir, mon Seigneur, Euren Sohn ausfindig zu machen und ihn zusammen mit seiner Gefährtin zu töten, damit sie den Keim des Bösen nicht weitergeben.« Tränen liefen ihm über die Wangen. »Verhindert das Leid weiterer Unschuldiger, ich bitte Euch. Lasst sie nicht erleiden, was ich erlitten habe.« Er senkte das Haupt.
    De Morangiès schluckte, streckte die rechte Hand aus und berührte Jeans Schulter. »Steht auf, Chastel. Ich kann … Ich kann Euren Wunsch unmöglich erfüllen!«
    Der Wildhüter stemmte sich mit Hilfe seiner Muskete auf die Beine. »Euer Sohn ist ein Dämon und kein menschliches Wesen, mon Seigneur«, flüsterte er. »Durch ihn verbreitet sich dieser Fluch weiter und weiter. Euer Sohn ist vor mir geflohen.« Dabei wandte er sich wieder dem Marquis zu. »Er weiß, dass ich sein Geheimnis kenne.«
    De Morangiès rang nach Atem, nahm ein Glas und goss sich Wein ein, stürzte ihn hinab und schenkte sich wieder nach. Wieder trank er die Hälfte auf einen Zug. »Vielleicht habt Ihr Recht, Chastel«, sprach er tonlos. »Vielleicht ist François’ Stunde und die seiner Gefährtin gekommen. Ich kann und will ihn nicht länger decken. Meine Zaghaftigkeit tötete genügend Unschuldige, und mein Gewissen hat sich seit Jahren nach einem Mann wie Euch gesehnt, Chastel. Ich selbst … ich konnte es einfach nicht.« Er suchte Jeans Blick, und auf einmal zeigten seine Augen keine Spur mehr von Unsicherheit. »Aber wenn ich Euch sagen soll, was ich weiß, habe ich eine Bedingung.«
    »Welche wäre es, mon Seigneur?«
    »Niemand darf jemals die Wahrheit erfahren. Tötet ihn aus dem Hinterhalt, in einem vermeintlichen Duell, lasst es nach einem Kampf aussehen, das ist mir gleich. Aber niemand soll den Eindruck haben, dass François etwas mit der Bestie des Gevaudan zu tun hatte.«
    »Das werde ich.« Jean verneigte sich, dankbar, die Geschichte zum Abschluss bringen zu können und die Bestien auszurotten.
    »Was wisst Ihr von dieser Sache, Chastel? Lasst uns offen miteinander sein … Erzählt mir alles.«
    »Ich ahne vieles und weiß nichts.« Jean begann mit seinem Bericht an jenem Tag im Wald bei Vivarais, als sie den ersten Werwolf erschossen hatten. Wie der Leidensweg von Antoine begann und er sich immer weiter zu einer mordenden Bestie entwickelt hatte; wie er seinen Bruder und ihn in Gefahr gebracht hatte, was ihnen Malesky über die Wandelwesen berichtet konnte und wie sie Antoine schließlich im Wald töten mussten. Dabei verschwieg er auch nicht das Gefecht mit den Unbekannten, die an einem lebenden Werwolf interessiert gewesen waren.
    De Morangiès hörte zu und unterbrach ihn kein einziges Mal, dann schloss er die Augen. »Es ist, wie Ihr vermutet habt, Chastel«, gestand er langsam. »Mein Sohn François ist ein Loup-Garou. Der Fluch traf ihn auf seiner Reise im Mittelmeer, als er seinem König diente. Von diesem Moment an veränderte sich mein Junge. Er wurde unstet, änderte seinen Lebenswandel und wurde ein Herumtreiber, der brutale Neigungen und seinen Hang zu Frauen auslebte.« Er hob die Lider und sah Jean an. »Er war einst ein guter, freundlicher Junge, Chastel. Aber die Bestie in ihm hat ihn zu einem wilden Tier gemacht. Ich wollte es nicht wahrhaben, dachte an eine Gemütskrankheit oder eine Bedrückung der Seele und machte mir weis, ich sei schuld. Weil ich, der bewährte Kämpfer für den König, zu viel von ihm gefordert hätte. Doch in einer Vollmondnacht sah ich mit eigenen Augen, was aus ihm geworden war.« Er bedeckte sein Gesicht erneut mit den Fingern und schluchzte. »Aber er ist immer noch mein Sohn, Chastel. Ich klammerte mich an die Hoffnung, dass es ein
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