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Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)

Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)

Titel: Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
Autoren: Chris Bradford
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Sie kehrte ihm weiter den Rücken zu und schälte mit hektischen Bewegungen eine Kartoffel nach der anderen.
    Und wenn dein Rücken heftig schmerzt,
    Ist’s wie ein Messer tief im Herz’ …
    Jack zerrte an ihrer Schürze. »Mutter? Was ist denn?«
    Aus dem anderen Zimmer hörte er einen erstickten Schrei. Im selben Augenblick drehte seine Mutter sich zu ihm um. Sie klang scharf und ärgerlich.
    Und wenn dein Herz dann blutet rot,
    Dann bist du mause-, mause-, mausetot. 1
    Jack starrte in die eingesunkenen Augenhöhlen eines alten Weibes. In ihren Haaren wimmelte es nur so von Läusen. Die Alte, die er für seine Mutter gehalten hatte, hob das Messer und drückte es ihm an die Kehle. An der Klinge hing wie ein frisch abgezogenes Stück Haut eine Kartoffelschale.
    »Du bist mausetot, Gaijin!«, krächzte sie. Ihr fauler Atem schlug ihm ins Gesicht. Er musste würgen.
    Schreiend rannte er zur Tür. Die Alte lachte hämisch.
    Aus den Tiefen des Hauses hörte Jack Jess’ verzweifelte Schreie. Er stürzte ins Wohnzimmer.
    Der große Armsessel, in dem sein Vater immer saß, stand mit der Vorderseite zum Kaminfeuer. In ihm saß eine verhüllte Gestalt. Ihre Silhouette zeichnete sich schwarz vor den flackernden Flammen ab.
    »Vater?«, fragte Jack zögernd.
    »Nein, Gaijin, dein Vater ist tot.«
    Der krumme Finger einer schwarz behandschuhten Hand streckte sich und zeigte auf Jacks Vater, der in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers schrecklich zugerichtet und blutend auf den Dielen lag. Jack fuhr entsetzt zurück. Der Boden unter ihm begann sich zu heben und zu senken wie ein Schiffsdeck.
    Mit einem Satz stürzte die verhüllte Gestalt vom Sessel zum vergitterten Kellerfenster. Sie hielt Jess in den Armen.
    Jack stockte der Atem.
    Er kannte das jadegrüne Auge, das ihn durch den Schlitz der Kapuze hasserfüllt anstarrte. Der von Kopf bis Fuß in das schwarze Gewand eines Ninja gehüllte Eindringling war Dokugan Ryu. Drachenauge – der Ninja, der Jacks Vater getötet hatte, der Jack verfolgte und der jetzt im Begriff war, seine kleine Schwester zu entführen.
    »Nein!«, schrie Jack und wollte sich auf ihn stürzen und Jess befreien.
    Doch da traten weitere gesichtslose Ninja aus den Wänden wie Schwarze Witwen. Jack kämpfte mit seiner ganzen Kraft gegen sie, aber sobald er einen Ninja besiegt hatte, trat der nächste an seine Stelle.
    »Ein anderes Mal, Gaijin!«, zischte Dokugan Ryu, wandte sich ab und verschwand in dem tobenden Unwetter. »Der Portolan ist nicht vergessen.«
    1 »Ein Mann der Worte ohne Taten …« Dieser alte Kindervers geht wahrscheinlich auf ein Stück des Dramatikers John Fletcher (1579–1625, Zeitgenosse Shakespeares) mit dem Titel The Lover’s Progress (»Statt Worten: Taten«, 3. Akt, 6. Aufzug) zurück.

2
Der Portolan
    Der bleiche Schein der Morgendämmerung fiel durch das kleine Fensterchen und der Regen tropfte schwer auf den Sims.
    Ein einzelnes Auge starrte Jack aus dem Halbdunkel an.
    Doch es gehörte nicht Dokugan Ryu, sondern dem Daruma, der Puppe, die sein Zen-Lehrer Sensei Yamada ihm in der ersten Woche seiner Ausbildung zum Samurai an der Niten Ichi Ry ū , der »Schule der beiden Himmel« in Kyoto, geschenkt hatte.
    Über ein Jahr war seit Jacks schicksalhafter Ankunft in Japan vergangen. Ninja hatten das Handelsschiff, auf dem sein Vater als Steuermann gedient hatte, überfallen. Jack hatte den Überfall als Einziger überlebt. Der legendäre Krieger Masamoto Takeshi, der Gründer der »Schule der beiden Himmel«, hatte ihn aus dem Meer gefischt.
    Verletzt, der fremden Sprache nicht mächtig und ohne Freunde oder Verwandte, die sich um ihn gekümmert hätten, hatte Jack wohl oder übel tun müssen, was von ihm verlangt wurde. Masamoto, der Jack als Sohn angenommen hatte, duldete nicht, dass man seine Anweisungen infrage stellte.
    Natürlich träumte Jack manchmal davon, nach Hause und zu seiner Schwester Jess zurückzukehren. Sie war schließlich die einzige Angehörige, die er noch hatte. Doch seine Träume verwandelten sich oft in Albträume, in denen plötzlich sein größter Feind Drachenauge auftauchte. Der Ninja wollte den Portolan, das geheime Logbuch seines Vaters, in seinen Besitz bringen – und zwar um jeden Preis, selbst wenn er dafür einen Jungen wie Jack töten musste.
    Unverwandt starrte der kleine hölzerne Daruma ihn mit seinem runden, bemalten Gesicht und dem einen Auge an, als machte er sich über sein Schicksal lustig. Sensei Yamada hatte gesagt,
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