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Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)

Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)

Titel: Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
Autoren: Chris Bradford
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auf, um noch einmal von vorn anzufangen. Die Knöchelchen waren so groß wie Kieselsteine und vom vielen Spielen in diesem Sommer ganz abgegriffen. Trotz der drückenden Hitze lagen sie merkwürdig kühl in der Hand.
    »Meinen Zweier schlägst du bestimmt nicht!«, sagte Jess herausfordernd.
    Jack ließ vier Knöchelchen auf den Boden fallen, warf das fünfte in die Luft, klatschte in die Hände, las schnell ein Knöchelchen aus dem Gras und fing das herunterfallende Knöchelchen auf. Mit geübten ruhigen Bewegungen wiederholte er die Prozedur, bis er wieder alle fünf in der Hand hielt.
    »Einser«, sagte er.
    Jess pflückte betont gelangweilt ein Gänseblümchen aus dem Gras.
    Jack warf erneut und hatte wenige Würfe später die zweite Runde abgeschlossen.
    »Zweier!«, verkündete er und streute die Knöchelchen wieder ins Gras. Dann warf er eines in die Luft, klatschte, nahm drei auf und fing anschließend noch das erste Knöchelchen, bevor es auf dem Boden aufkam.
    »Dreier!«, rief Jess, unfähig, ihre Überraschung zu verbergen.
    Grinsend ließ Jack vier der Knöchelchen fallen.
    Am Himmel ballten sich schwarze Wolken und in der Ferne donnerte es dumpf. Die drückende Schwüle war noch unerträglicher geworden. Doch Jack achtete nicht auf das aufziehende Gewitter. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der schwierigen Aufgabe, alle vier Knöchelchen aus dem Gras zu lesen.
    Er warf das fünfte Knöchelchen hoch und klatschte. Im selben Moment ertönte ein ohrenbetäubender Schlag. Ein gezackter weißer Blitz fuhr über den Himmel, schlug in einiger Entfernung in einen Hügel ein und setzte einen Baum in Brand. Blutrot hoben sich die Flammen vor dem schwarzen Himmel ab. Doch nicht einmal dadurch ließ Jack sich in seiner Konzentration stören. Er nahm die vier Knöchelchen auf und fing das fünfte, als es nur noch eine Handbreit vom Boden entfernt war.
    »Geschafft!«, jubelte er. »Geschafft! Alle vier auf einmal!«
    Er hob triumphierend den Kopf. Jess war verschwunden.
    Auch die Sonne war nicht mehr zu sehen. Pechschwarze Gewitterwolken jagten über den brodelnden Himmel.
    Verwirrt starrte Jack zu dem Tumult über ihm hinauf. Dann spürte er ein Kribbeln in seiner geschlossenen Hand. Die Knöchelchen fühlten sich an, als bewegten sie sich.
    Zögernd öffnete er die Hand.
    Er erstarrte. Über seinen Handteller liefen vier sehr kleine, schwarze Skorpione.
    Sie umringten das fünfte Knöchelchen und versuchten es mit ihren Schwänzen zu stechen. Tödliches Gift tropfte auf seine Hand.
    Ein Skorpion drehte sich um und krabbelte seinen Unterarm hinauf. Jack schüttelte ihn in Panik ab, warf auch die anderen Skorpione ins Gras und rannte Hals über Kopf auf das Haus zu.
    »Mutter!«, schrie er. »Mutter!«
    Jess fiel ihm ein. Wo war sie bloß?
    Dicke Regentropfen klatschten herab und es wurde noch dunkler. Die fünf im Gras verstreuten Knöchelchen waren kaum noch zu erkennen. Von den Skorpionen oder Jess war nichts zu sehen.
    »Jess?«, brüllte er, so laut er konnte. »Mutter?«
    Niemand antwortete.
    Da hörte er seine Mutter leise in der Küche singen.
    Ein Mann der Worte ohne Taten
    Ist wie ein ungepflegter Garten
    Und schießt das Unkraut in die Höh’,
    Ist’s wie ein Garten voller Schnee …
    Jack rannte durch den engen Flur zur Küche.
    Im Haus war es dunkel und feucht wie in einer Gruft. Durch einen schmalen Spalt der Küchentür drang Licht. Von drinnen erklang die Stimme seiner Mutter abwechselnd lauter und leiser wie das Seufzen des Windes.
    Und schwebt der Schnee von oben nieder,
    Ist’s wie ein Vogel mit Gefieder,
    Und hebt der Vogel ab vom Boden,
    Gleicht er dem stolzen Falken droben …
    Jack spähte durch den Türspalt und sah seine Mutter. Sie hatte eine Schürze umgebunden, den Rücken zu ihm gewandt und schälte mit einem großen, krummen Messer Kartoffeln. Nur eine Kerze erhellte das Zimmer. Der Schatten des Messers an der Wand war so groß wie das Schwert eines Samurai.
    Und spuckt der Himmel Donner aus,
    Klingt’s wie ein Löwe vor dem Haus …
    Jack stieß die Küchentür auf. Sie kratzte über die steinernen Fliesen, doch seine Mutter drehte sich nicht um.
    »Mutter?«, fragte er. »Hast du mich nicht gehört?«
    Und wenn die Tür nachgibt dem Drücken,
    Spürst du den Stock auf deinem Rücken …
    »Mutter! Warum antwortest du nicht?«
    Draußen regnete es jetzt so heftig, dass es klang wie ein in der Pfanne brutzelnder Fisch. Jack trat über die Schwelle und näherte sich seiner Mutter.
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