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Samuel Carver 05 - Collapse

Samuel Carver 05 - Collapse

Titel: Samuel Carver 05 - Collapse
Autoren: Tom Cain
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werden sollte. Carver hatte andere Pläne. Er stand auf, schwenkte nach rechts und drängte sich mit eingezogenem Kopf durch den Strom der Flüchtenden auf die Küchentür zu.
    Plötzlich brach er aus der Menge hervor und lief ein, zwei Sekunden lang ohne Deckung. Lange genug. Er hörte jemanden rufen: »Da drüben!« Daraufhin rannte er in vollem Tempo auf die Tür zu, hinter sich den Klang hastiger Schritte.
    Das war die Antwort auf seine Frage. Die Männer waren hinter ihm her. Fragte sich nur noch, warum.
    Er erreichte das Aquarium, duckte sich dahinter und stemmte sich mit ganzer Kraft gegen das Glas. Erst neigte es sich nur ein paar Zentimeter, dann mehr, bis es umkippte und am Boden auseinanderbrach. Fische und Schalentiere ergossen sich mit dem Wasser in den Weg seiner Verfolger und bildeten eine glitschige Masse zappelnder und mit den Scheren schnappender Leiber.
    In der Sekunde, die ihm die Ablenkung einbrachte, flitzte Carver durch die Tür und einen kurzen Gang entlang auf die Küche zu. Hinter ihm wurde geschossen. Er fühlte die Kugeln an sich vorbeizischen und sah die Scheibe eines Weinkühlschranks zersplittern.
    Mit einem Sprung über die Scherben schlitterte er in die eigentliche Küche. Am Herd standen zwei Frauen, eine ältere in schwarzen Kleidern und eine junge, knapp Zwanzigjährige. Sie schrien ihn an, während er sich nach einem Fluchtweg umsah.
    Seine Verfolger waren nur Sekunden hinter ihm. Die Frauen kreischten. Vor Stress war er wie benommen und konnte nicht klar sehen. Er zwang sich zur Ruhe, konzentrierte sich auf die vor ihm liegende Aufgabe und ignorierte die innere Stimme, die ihm vorhielt, er sei verweichlicht und außer Übung, und die ihn an die Zeit erinnerte, wo er nirgends unbewaffnet oder unvorbereitet hingegangen war.
    Die Küche hatte doch sicher einen Hinterausgang? Wenn nicht, war er ein toter Mann.

2
    Ja, da war sie, eine Tür, halb hinter leeren Kisten verborgen. Carver sprintete durch den Raum, trat die Kisten beiseite, torkelte durch die Tür und fand sich am Ende einer Gasse wieder, die zwischen zwei anderen Häusern verlief. Sie öffnete sich auf eine der schmalen Geschäftsstraßen, die sich durch Mykonos wanden wie verhedderte Spaghetti.
    Die Inselbräuche schrieben vor, dass man sein Haus in jeder Farbe streichen durfte, solange sie weiß war. Aber niemand schrieb vor, welche Farbe die Türen und Fenster und die an jedem Haus vorhandenen Veranden und Treppen haben sollten. Leuchtende Farbkleckse in Blau, Türkis und Hellrot trafen auf das schreiende Magenta der Bougainvilleas, die aus jedem Spalt wuchsen.
    Auf der Straße wimmelte es von Touristen, die von dem panischen Durcheinander in dem Uferrestaurant nichts ahnten: Pärchen, Freundinnen beim Shoppen, Männer, die Arm in Arm gingen und damit bewiesen, dass man auf Mykonos dem Ruf der Insel gemäß alles durfte, solange dabei niemand verletzt wurde. Carver tauchte ins Gewühl und bewegte sich möglichst schnell, aber unauffällig voran, eine schlanke, durchtrainierte Gestalt in olivgrünen Cargoshorts und hellblauem Baumwollhemd, die zielstrebig zwischen den Flanierern durchschlüpfte, ein Raubtier unter Pflanzenfressern.
    Dabei nahm Carver ständig die Gesichter der Umgebung auf, achtete mit allen Sinnen scharf auf jedwedes Zeichen für Gefahr, während er unbewusst analysierte, was er sah. Zwei junge Frauen kreischten vor Lachen über eine Bemerkung:ungefährlich. Ein junges Paar schmiegte sich beim Gehen aneinander und war nur an der eigenen Verliebtheit interessiert: ungefährlich. Zwei Männer nebeneinander, beide kahlrasiert, schauten über die Köpfe der Passanten … einer bemerkte Carver … fing seinen Blick auf … griff ins Jackett … gefährlich! Gefährlich!
    Carver rannte los, stieß taumelnd die Verliebten beiseite, sauste zwischen den Freundinnen hindurch, die empört aufschrien, und hastete eine hellblaue Treppe hoch. Dabei blickte er über die Schulter und sah die zwei Kahlrasierten, denen sich gerade die Schützen aus dem Restaurant anschlossen und auf ihn zeigten. Carver kam auf dem oberen Treppenabsatz an. Rechts neben ihm führten zwei mit Holzläden versehene französische Fenster ins Haus. Er sah nach links die Straße entlang. Am Gebäude gegenüber verlief eine Treppe nach oben. Deren Absatz war nur knapp zwei Meter entfernt. Die Haustür darunter stand offen. Carver stieg auf das Geländer des Treppenabsatzes, hockte dort für eine Sekunde auf den Fußballen, und dann, als die
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