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Samuel Carver 05 - Collapse

Samuel Carver 05 - Collapse

Titel: Samuel Carver 05 - Collapse
Autoren: Tom Cain
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scharfen Verstand bisher hinter der professionellen Dummchenmaske verborgen hatte, und gab ihr durch seinen Tonfall zu verstehen, dass er das wusste.
    »Wären diese Leute mit der Situation ehrlich umgegangen – indem sie zunächst einmal ehrlich zu sich selbst sind –, hätten sie das Unternehmen vielleicht retten können. Sie hätten ihre Posten einem Verantwortungsbewussteren zur Verfügung stellen können. Sie hätten überprüfen können, welche Risiken ihre Angestellten eingehen, um dann die Praxis zu ändern. Sie hätten sich um geschickte Deals bemühen können, die auf wirklich unterbewerteten Anlagegütern basieren – und übrigens hätten sie damit auch mehr Geld gemacht. Sie hätten sich nach einem Käufer umsehen können, als sie noch in einer starken Verhandlungsposition waren. Sie hätten eine ganze Menge tun können, und, klarer Fall, das hätte mich einen Haufen Kohle gekostet. Aber wissen Sie was? Es war klar, dass sie dergleichen gar nicht tun, weil sie allesamt arrogante Arschlöcher sind – wie die meisten Leute in den Vorstandsetagen. Und sie hätten auf keinen Fall zugegeben und werden es auch nie, dass sie an der Entstehung dieses Desasters schuld sind.«
    »Aber was ist mit BoA und Barclays? Wie konnten Sie wissen, dass die die Verhandlung scheitern lassen und die Lehman-Bank nicht kaufen?«
    Zorn griff in sein Jackett, zog die Brieftasche heraus und entnahm ihr tausend Dollar. Die schob er über den Tisch zu Mistis Galan, einem dreisten jungen Broker namens Luis Ferrone, und sagte: »Kaufen Sie sich eine andere Freundin.« Dann blickte er Misti an und winkte sie auf den freien Platz neben sich. Im Nu saß sie bei ihm.
    »Also«, sagte Zorn, »Sie fragen nach den anderen Banken? Tja, das ist schnell zu beantworten. Die Abschlüsse wären überhaupt nicht zustande gekommen. In dem Augenblick, wo die Käufer in die Bücher der Lehman-Bank guckten, war klar, dass deren Vermögenswerte beileibe nicht so hoch waren wie behauptet. Offiziell besaß Lehman Brothers vierzig Milliarden in Einlagen. Soweit ich weiß, liegt die wahre Zahl eher bei fünfundzwanzig. Da entschied die Bank of America, lieber Merrill Lynch zu kaufen. Blieb also noch Barclays. Doch Barclays hatte ein Problem. Die Lehman-Bank war bankrott. Die konnte keine Geschäfte mehr tätigen oder auch nur als Unternehmen existieren ohne frisches Kapital, und Barclays konnte keines geben, ehe der Vertrag unterschrieben war. Am Montagmorgen würde also jemand mit einem Überbrückungsgeld einspringen müssen, um einen Kauf zu decken, der noch gar nicht sicher war. Und wer kam dafür in Frage?«
    »Uncle Sam?«, schlug Misti vor.
    »Komisch, dass Sie das sagen. Dick Fuld hatte dieselbe Idee, bis Paulson ihm klarmachte, dass Washington keinen einzigen Steuergroschen herzugeben bereit sei, um seine Bank zu retten. Dann versuchten sie’s auf der persönlichen Ebene. Bei Lehman Brothers gab es einen gewissen George Herbert Walker, der ein Cousin des Präsidenten ist. Es heißt, dass er gebeten wurde, im Oval Office anzurufen. Tja, wenn er esgetan hat, ist der Präsident jedenfalls nicht rangegangen. Dann sagten die Leute: Barclays ist ja eigentlich eine britische Bank, vielleicht wird deren Regierung uns das Geld geben. Die Briten machten gleich klar, dass eher die Hölle einfriert, als dass sie ihre Steuerzahler Milliarden riskieren lassen, um eine amerikanische Bank zu stützen. Glauben Sie mir, ich hatte keine einzige schlaflose Nacht deswegen. Und wissen Sie was? Barclays auch nicht. Gestern haben sie den Trümmerhaufen von Lehman Brothers durchwühlt und die meisten der US-Sparten für unter zwei Milliarden erworben. Ich schätze, sie zahlten etwa zehn Cent pro Dollar. Ich hätte zu gern Fulds Gesicht gesehen, als er das erfuhr.«
    Misti bedachte ihn mit einem warmen, ungekünstelten Lächeln, das von ihr selbst kam, nicht von der Stripperin.
    »Sie klingen dabei so emotional, als ginge es nicht nur ums Geschäft. Es scheint eher etwas Persönliches zu sein.«
    »Ja, auch da liegen Sie richtig. Das ist etwas sehr, sehr Persönliches.«
    »Dann war das ja eine ziemliche Show für Sie.«
    Malachi Zorn schüttelte säuerlich lächelnd den Kopf. »Nein«, widersprach er. »Das war nicht die Show.« Dann lachte er, sodass Misti ebenfalls lachte und es als Scherz auffasste, als er sagte: »Das war erst die Generalprobe.«
    Washington, D.C.: 17. März 2011
    Drei Jahre danach waren die Auswirkungen der Bankenpleite noch nicht behoben. Bei
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