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Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden

Titel: Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
Autoren: Berte Bratt
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meine Schwester für zwei Monate einladen möchte. Sonnielein, kommst du?“
    „Ja, ja, ja!“ schrie ich! „Und ob ich komme! Vati, nimm den Hörer... Senta, sprich mit Papa. du mußt das Reisegeld aus ihm rausquetschen!“
    Papa schüttelte den Kopf und nahm den Hörer. Ich stand daneben und trippelte vor Spannung ungeduldig von einem Fuß auf den andern.
    „Ja, aber wieso denn, Sentalein?“ Pause. „Ach, so ist es. Das ist aber reizend von Frau von Waldenburg. Na ja, das läßt sich wohl machen. Sonja hat gerade erzählt, daß sie vier Kronen besitzt, für den Rest muß ich dann wohl aufkommen. Na klar, mein Mädel, du sollst doch Weihnachten nicht allein sitzen und auf die Viecher aufpassen. - Ja, das ist in Ordnung. - Natürlich, Sonja schreibt dir morgen. - Hier ist Mutti, sie will unbedingt mit dir sprechen!“
    Fünf Minuten später saß ich noch auf dem Stuhl, auf den ich vor lauter Aufregung niedergesunken war und schnappte erst einmal nach Luft.
    Sentas „Gnädige“ sollte ins Ausland. Wenn Senta so lieb und reizend und hilfsbereit und entzückend sein wollte, auf die Wohnung aufzupassen und auf die trächtige Hündin, die in vier Wochen werfen würde, und auf die unzähligen Zimmerpflanzen und die beiden Kanarienvögel und die Aquarienfische - dann dürfte sie gern ihre Schwester einladen, damit sie nicht ganz allein in der Wohnung wäre. Ob sie meinte, daß die Schwester kommen wollte?
    Und ob die Schwester es wollte! Das war doch wirklich keine Frage!
    Ich war ganz durchgedreht vor Freude. Ins Ausland fahren - zu meiner lieben, lieben Schwester, meiner besten Freundin! Mit ihr allein eine ganze Wohnung zur Verfügung haben - Herrschaften, wie war ich froh!
    Ich weiß nicht mehr, wie und wann ich an diesem Abend ins Bett kam. Ich war so glücklich, daß ich nicht schlafen konnte. Das heißt, letzten Endes schlief ich doch ein, aber ich wachte früh auf und war als erste in der Küche.
    Kurz danach kam auch Katrin. Sonntags frühstückten sie und Bernt immer bei uns.
    Unsere Eltern fanden dann einen fertig gedeckten Tisch mit heißem Kaffee, gekochten Eiern und duftendem Toast.
    Nun sprachen wir weiter über meine Reise. Frau von Waldenburg wollte am fünfzehnten November fahren; sie fände es schön, wenn ich am Tage vorher kommen könnte, sie möchte mich doch begrüßen, bevor sie losfuhr.
    Wir hatten den fünften!
    Also hieß es Karte bestellen, Garderobe in Ordnung bringen, zum Friseur gehen, Mitbringsel kaufen.
    Alle nahmen eifrig am Gespräch teil. Annettchen saß in ihrem hohen Kinderstuhl und klopfte fröhlich mit dem Löffel auf das Tellerchen.
    Nur Stefan war schweigsam. Erst nachdem er sein weichgekochtes Ei intus und den Eierlöffel zielsicher durch die Schale gestoßen hatte, platzte er heraus:
    „Ist Kiel dasselbe wie, Afrika?“

Zum ersten Mal in Deutschland
    Es war früh am Morgen.
    Ich stand auf dem oberen Deck an der Reling und starrte... starrte, daß mir die Tränen in die Augen traten. In wenigen Minuten würden wir in Kiel sein. Kiel, eine Stadt, die durch diese Fährverbindung zu einem festen Begriff für uns Norweger geworden war. Ich wußte, daß Kiel eine Landeshauptstadt war, daß die Umgebung wegen ihrer Schönheit „Die holsteinische Schweiz“ genannt wurde und daß es kleine Heringe gab, die „Kieler Sprotten“ hießen. Ja, und daß viele norwegische Schiffe in Kiel gebaut werden - und dann wußte ich, und das war das Wesentlichste: Irgendwo in dieser Stadt, die jetzt vor mir auftauchte, befand sich ein gewisses Fräulein Senta Rywig, die genau wie ihre zweite Hälfte - das war ich! - jetzt die Minuten zählte!
    Ich wiederholte in Gedanken die paar Sätze, die ich auswendig gelernt hatte für den Fall, daß Senta nicht am Kai sein würde - es konnte ja etwas dazwischenkommen, ein Straßenbahnmalheur, Stromausfall, eine Autopanne oder was weiß ich!
    „Bitte, wo kriege ich einen Träger? Können Sie mir eine Taxe verschaffen? Wieviel macht das? Ich bin zum ersten Mal in Deutschland. Tausend Dank, daß ich kommen durfte, gnädige Frau. Ja, ich habe eine sehr schöne Reise gehabt. Meine Eltern lassen vielmals grüßen, gnädige Frau.“
    Bloß nicht das „gnädige“ vergessen, hatte Bernt mich ermahnt. Er war es, der mir die Sätze aufgeschrieben hatte.
    Ich hatte in der Schule wohl Deutsch gelernt, so ganz fremd war mir die Sprache nicht, aber ich hatte sie nie praktisch anwenden müssen. Lesen konnte ich sie einigermaßen, aber mit dem Reden.
    Heute. ein Jahr
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