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Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden

Titel: Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
Autoren: Berte Bratt
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Anspruch auf eine gute Ausbildung. Wie es mit der Begabung von Senta und mir ist, weiß ich nicht, ich glaube kaum, daß wir auffallen, jedenfalls nicht durch Begabung - und unser Wonneproppen Annette hat bis jetzt nur eine einzige Begabung gezeigt, nämlich die, uns alle um ihren süßen Kleinfinger zu wickeln. Das kann sie freilich zur Vollkommenheit.
    Was sollte ich nun tun? Im nächsten Herbst also Säuglingspflege, gut, aber bis dahin?
    Es war ein Sonnabendabend. Bernt und Katrin waren zu uns raufgekommen. Sie haben ihre kleine Wohnung in der Unteretage, wo die Jungens früher eine Werkstatt und Mutti ein Plättzimmer hatten. Gerade hatten wir unseren traditionellen Samstagsschäker genossen. Den hatte Mutti vor acht Jahren eingeführt, als sie als Wirtschafterin zu uns kam. Unsere Sonnabende waren uns heilig. Eine Einladung zu einem Samstag wurde höchst ungern angenommen, an einem Samstag ins Theater oder ins Kino oder zum Tanzen
    zu gehen, war undenkbar.
    Mutti bot Eis oder eine schöne Torte an, wir machten Ratespiele, oder manchmal las der eine oder der andere etwas vor.
    An diesem Abend las ich ein Kapitel aus einem englischen Afrikabuch. „With a leopard in my lap“ - „Mit einem Leoparden auf dem Schoß.“ Es ist von einer Dame geschrieben, deren innigster und brennendster Wunsch es war, einmal Afrika zu erleben. Und sie erreichte es. Ich wußte, daß sie jetzt in Nairobi wohnte und mit ihrem Mann zusammen eine Reihe Kurzfilme gedreht hatte. In England hatte ich ein paar davon im Fernsehen mitgekriegt.
    Nun las ich also auf englisch vor, und meine liebe Familie durfte unterbrechen und fragen, wenn Worte vorkamen, die sie nicht verstanden.
    Als das Kapitel zu Ende war, nickte Mutti.
    „Ich fange langsam an, dich zu verstehen. Sonjalein“, sagte sie. „Welch Glück, daß du so jung bist! Du hast viel, viel Zeit, um Geld zu sparen und dein Ziel zu erreichen.“
    „Die viele Zeit brauche ich auch“, seufzte ich. „Augenblicklich besitze ich vier Kronen und neunundsiebzig Öre.“
    „Neunundzwanzig“, sagte Hans Jörgen. „Ich habe heut früh fünfzig Öre aus deinem Portemonnaie geklaut!“
    Stefan war auf Papas Schoß eingeschlafen. Papa stand auf, nahm Stefan behutsam auf seine Arme.
    „Bleib sitzen, mein Schatz“, sagte er, als Mutti aufstehen wollte. „Ich bringe das Bübchen schon ins Bett.“
    „Mein Herr, Sie sind erkannt!“ lachte Katrin. „Du tust es nur, damit du wieder einen Blick auf deine schlafende Jüngste werfen kannst!“
    „Ich bringe meine Kinder zu Bett und werfe Blicke auf meine Kinder, wann und wie oft ich will, merk dir das, verehrte Schwiegertochter“, lächelte Papa und kniff Katrin ins Ohrläppchen.
    Dann verschwand er mit dem schlafenden Stefan. Er blieb lange weg... „Laßt ihn bloß“, lächelte Beatemutti. „Er hat ja sonst nie die Zeit, die ganze Kinderzimmeratmosphäre zu genießen.“
    „Menschenskinder, es ist bald Mitternacht!“ rief Bernt. „Hans Jörgen, du bist grün im Gesicht - verschwinde Richtung Falle, ein bißchen plötzlich! Katrin, holdes Weib, wir müssen morgen rechtzeitig aufstehen, mach hübsch einen Knicks und folge deinem Herrn und Gebieter nach unten. Sonja, teure Schwester, du bist noch Rekonvaleszentin.“
    „Das bin ich gar nicht, ich bin munter wie eine Bachforelle! Ich räume ab, Mutti, strick du deine Reihe fertig!“
    Die anderen verschwanden, ich sammelte die Eisteller und die Löffel und ging zur Tür. Da klingelte das Telefon. Ich stellte die Sachen ab und ging hin. Mein armer Vater, natürlich ein Unfall! Er mußte wohl Hals über Kopf in die Klinik und operieren. Unfälle neigen sehr dazu, Samstag spät zu passieren. Deswegen wird bei unseren Samstagsschäkern nie Alkohol getrunken. Vati verzichtet darauf, weil er womöglich operieren muß, Katrin, weil sie ihn dann immer fährt. Und wir anderen aus Solidaritätsgefühl.
    Ich nahm den Hörer.
    „Hier die Privatwohnung von Dr. Rywig.“
    Eine ferne, aber deutliche Stimme klang in mein Ohr:
    „Es handelt sich um einen dringenden Besuch.“
    „Wie ist der Name, wo wohnen Sie?“
    Ich hatte schon den Bleistift in der Hand. Katrin steckte den Kopf zur Tür herein, jetzt hörte ich Vatis Schritte auf der Treppe.
    „Die Adresse ist Kiel, mein Name ist Senta.“
    „Senta, altes Haus! Mensch, was hast du, warum rufst du mitten in der Nacht an?“
    „Weil ich nicht warten konnte! Sonnie, willst du mich besuchen? Ja, ja, vor zehn Minuten fragte Frau von Waldenburg, ob ich
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