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Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden

Titel: Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
Autoren: Berte Bratt
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sagte man mir - nächstes Jahr.
    Da saß ich! Bis ich eines Tages nicht mehr saß, sondern lag. Und zwar im Einbettzimmer der St.-Lucas-Klinik, wo Papa immer seine Patienten hat. Die prominenteste Patientin war plötzlich seine eigene Tochter, die mit einem komplizierten Beinbruch, von dem treusorgenden Vater persönlich geschient und operiert und betreut, mit dem
    Bein in einer Art Hebekran lag. Alles kam, weil ich auf der Treppe gestolpert war - zum Glück nur mit einem Stoß Babywäsche in den Armen und nicht mit meinem Schwesterchen!
    Und während ich da lag und nichts anderes tun konnte als lesen -damals fing es an. Das, was später mein Schicksal werden sollte.
    Es ist jetzt bald ein Jahr her.
    Und was für ein Jahr!
    Das glückseligste meines Lebens!

Ein Anruf um Mitternacht
    Solange ich im Krankenhaus lag, kam Papa jeden Tag. Ob aus ärztlichem Pflichtgefühl oder aus väterlicher Liebe, weiß ich nicht. Jedenfalls war es riesig nett, wenn er kam.
    „Behandelst du all deine Patientinnen so?“ fragte ich eines Tages, als er mir zärtlich die Stirn küßte.
    „Weißt du, das fragen sie alle!“ schmunzelte Papa. „Aber dies hier kriegt jedenfalls nicht jede Patientin!“
    Es war ein selbstgebackener Kuchen von Beatemutti. Sie konnte nicht jeden Tag kommen, sie mit ihrem Säugling und ihrem äußerst einfallsreichen und unberechenbaren Fünfjährigen. Hans Jörgen konnte wohl auf Stefan aufpassen, aber Säuglingspflege konnte man ihm doch nicht zumuten.
    So kam Beatemutti abends, zwei- bis dreimal in der Woche, wenn Papa rechtzeitig nach Hause kam. Katrin fuhr sie mit dem Auto in die Stadt - sie ist ein Genie in puncto Autofahren -, und sie blieben dann ein halbes Stündchen bei mir. Bernt kam jeden Tag auf einen Sprung zwischen seinen Vorlesungen. Ich habe ihn sehr in Verdacht, daß er mich als Studienobjekt benutzte, und daß er öfters ein Stoßgebet gen Himmel sandte, er möge doch zum Staatsexamen in Chirurgie über komplizierte Wadenbrüche geprüft werden!
    Was sie alle brachten, war Lesestoff.
    Lesen war ja das einzige, womit ich mich unterhalten konnte! Nun ja, ich harte ein kleines Taschen-Rundfunkgerät, aber ich las lieber, als daß ich Radio hörte. Ich war unersättlich, ich las alles, was mir in die Hände kam. Es war unglaublich, durch was für Lektüre-Berge ich mich fraß!
    Und was sozusagen mein Schicksal wurde, war ein Artikel in einer schmutzigen, zerfetzten, zerlesenen Zeitschrift aus dem Jahre 1961! Hans Jörgen brachte sie mir. Er hatte in der Bodenkammer gewühlt und alles Lesbare zusammengeklaubt für seine lesehungrige Schwester.
    Ich las die Zeitschrift durch, von der Titelseite bis zur letzten Anzeige.
    Einen Artikel las ich noch einmal - und wieder einmal.
    Es war ein Bericht, geschrieben von einer englischen Dame, die anscheinend Ostafrika sehr gut kannte. Sie schrieb über das unglaublich schöne und reiche Tierleben da unten, sie schilderte die großartige und eigenartige Natur, und sie beschrieb alles so, daß meine Beine - sowohl das heile als auch das gebrochene - anfingen zu jucken. Ich meine, im übertragenen Sinn. Sie juckten danach, loszufahren. Mein ganzes, bettlägeriges Ich wurde unruhig. Reisen war schon immer mein Traum gewesen. Und nun eine solche Reise! In ein ganz fremdes Land, ein Land mit anderen Sitten, anderen Maßstäben, ein Land mit anderen Menschen, einem anderen Klima - ein Land, wo die Sonne einem senkrecht auf den Kopf schien, ein Land, wo Elefanten und Büffel, Löwen und Antilopen, Flußpferde und Nilpferde zu Millionen lebten... Das einmal sehen dürfen!
    Ich war öfter in englischen Zoos gewesen. Es hatte mir immer Spaß gemacht. Aber was die Dame beschrieb - Tausende von Zebras auf einmal, galoppierende Gnuherden, tausend und abermals tausend; herrliche Elefanten, nicht in einer Zirkusmanege mit idiotischem Federschmuck oder lächerlichen Ballettröckchen, nicht Elefanten, die auf Kommando auf den Vorderbeinen standen oder mit dem imposanten Popo auf einem Riesenhocker saßen. Nein, mächtige, majestätische, freie Elefanten, die sich sicher und selbstverständlich in ihrem eigenen endlosen Reich bewegten und mit erhabener Gleichgültigkeit die kleinen zweibeinigen Touristen in ihren lächerlichen Töfftöffwagen duldeten.
    Danach kam in dem Zeitungsartikel das Furchtbare. Es wurde erzählt, daß dieser ganzen herrlichen Tierwelt, sozusagen „dem größten Zoo der Welt“, eine furchtbare Gefahr drohte. Sinnloses Jagen, gewissenlose Wilderer
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