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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl
Autoren: Brent Ghelfi
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zehn und dreizehn sein. Kann man das überhaupt so nennen? »Ich rufe jetzt Gromow an.«
    Sie grummelt etwas, als ich den Namen erwähne. Sie mag keine Kompromisse.
    Ich lege auf und wähle eine andere Nummer. »Ist es erledigt?«, fragt Gromow.
    Ist was erledigt? , frage ich mich. »Hier ist Volk.«
    Ihm stockt der Atem.
    »Bist du noch da?«
    »Ja, ich bin dran.« Seine Worte klingen gezwungen.
    »Ich habe einen Auftrag für dich. Ich brauche sechs von deinen Kids für eine Party heute Abend. Das ist komplett dein Ding. Ich will keinen Anteil.« Mir wird schon schlecht, wenn ich nur darüber rede. Ich schlucke meinen Ekel runter. »Wenn ich noch mehr solche Deals reinkriege, geb ich sie an dich weiter. Ich will dem Schwein das Wasser abgraben«, sage ich und meine damit einen widerlichen Päderasten aus dem Osten der Stadt. Mit Leuten wie ihm mache ich keine Geschäfte. Bis zum heutigen Abend hatte ich mit so etwas noch nie zu tun, aber Gromow hat mir das nie abgenommen. »Und mit dem Diamanten will ich nach wie vor nichts zu tun haben«, füge ich hinzu.
    Wieder Totenstille. »Warum warst du bloß nicht vorher schon so vernünftig?«, sagt er schließlich. »Ich muss ein Telefonat führen. Ich ruf dich zurück.«
    Er hat aufgelegt bevor ich fragen kann, Vor was?
    Nigels Gesicht ist gerötet, er hat mindestens fünf Wodka Lime intus, aber im Laufe der Zeit ist er ziemlich resistent geworden. Der Kellner bringt ein paar Appetizer. Austern für ihn, geräucherten Stör für mich. Um uns herum surrt die Luft. Russisch und Englisch vermischt mit Deutsch, Französisch, Japanisch und, von der Bar, kehligem Kantonesisch. Das Essen wird serviert. Ich stochere in einem blutigen Steak herum, bis ich das Gefühl habe, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
    »Wen kennst du, der mit Kunst handelt?«, frage ich.
    Das ist nicht mein erster Ausflug in Richtung Kunst. Aber die Male davor habe ich Impressionisten und Kubisten verkauft, über einen mondgesichtigen Hehler aus München, der inzwischen tot ist. Er hatte eine Skizze von Picasso gekauft, die einem rachsüchtigen holländischen Industriellen gestohlen worden war, und endete als Fischfutter in einem schleimigen Amsterdamer Kanal. Nigel habe ich mit so etwas bisher noch nicht betraut. Der Großteil meiner Arbeit mit Nigel hat mit Touristen zu tun - Drogen, Prostitution, Hehlerei -, wobei er als Mittelsmann agiert.
    Er zieht eine Augenbraue hoch und versucht zu lächeln, aber es wirkt angestrengt. »Kunst?«
    »Wenn’s dir nichts ausmacht.«
    Er schnauft selbstgefällig. »Skulpturen? Gemälde? Welche Periode? Das ist ein weites Terrain, mein Lieber.«
    »Gemälde. Ich meide das Thema meines Gesprächs mit Arkadij, meinem Freund aus dem Waisenheim. Den Leuten nicht die Wahrheit zu sagen, scheint eine Angewohnheit von mir zu werden. »Impressionisten und so. Cézanne. Degas. Van Gogh. Picasso. Du weißt schon.«
    Ich kann fast die kleine Rechenmaschine in seinem Kopf rattern hören. »Eine ziemlich große Auswahl dieser Künstler hängt im Eremitage Museum«, sagt er. »Ein Teil davon ist übrigens Kriegsbeute.«
    Ich habe die Bilder gesehen, unter anderem auch die, die offiziell nicht in unserem Besitz sind, und meiner Meinung nach ist keines davon gestohlen, aber das spielt jetzt keine Rolle. »Wen kennst du hier in der Stadt, der mit solchen Schätzen handelt?«
    Er tut absichtlich nachdenklich, während der Kellner unseren Tisch abdeckt.
    Um ihn etwas auf Trab zu bringen, sage ich: »Dein Anteil beträgt fünf Prozent. Ich kann dir aber nichts versprechen. Das ist erstmal rein spekulativ.«
    »Ich kenne einen Kunsthändler, seine Galerie liegt in der Nähe vom Neujungfrauenkloster. Franzose, also, ähem … flexibel. Sein Name ist Henri Orlan. Hier ist seine Nummer.« Er schreibt sie auf eine Serviette und schiebt sie mir rüber. »Wenn du willst, kann ich euch bekannt machen.«
    »Nein.« Ich stecke die Serviette in die Tasche und schüttle den Kopf. Ich nehme Orlan lieber auf meine Art unter die Lupe.
    Nigel nickt abwesend und massiert seine Wurstfinger. »Da gibt es noch jemand anderen. An der Universität. Sag mal, warum...«
    Das Außenfenster zerspringt in einem Trommelfeuer. Tische fliegen um. Körper stieben auseinander und werden in einem ohrenbetäubenden Kugelhagel zerfetzt.
    In diesem Ausbruch von Schüssen, Schreien und zersplitterndem Glas springe ich über den Tisch und reiße Nigel zu Boden. Ein Kronleuchter kracht neben uns auf den Teppich, die
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