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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde
Autoren: Barbara Lutz
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plötzlich war das peinlich. In meinem Schlafzimmer. Ich dachte eigentlich gar nichts, aber ich dachte, dass er dachte, dass ich dachte. Ruhig ging er an mir vorbei aus meinem Schlafzimmer.
    Ich war froh, als er weg war. Ich stellte einen Stuhl vor die Balkon-und einen vor die Eingangstür, damit keiner unbemerkt hereinkommen konnte, und legte mich mit einem Glas Bier in die Badewanne. Aber das Dösen tat mir nicht gut. Es war schon unangenehm genug, einen Polizisten nett zu finden. Von seinen lächelnden Augen zu träumen, ging zu weit.

4
    Als ich am nächsten Morgen in meine Jeans schlüpfte, stellte ich fest, dass ich Ricklin einen falschen Stick mitgegeben hatte. Unabsichtlich, die Dinger, beide schwarz, sahen sich ähnlich, wie ich mit Juris richtigem Stick in der Hand konstatierte. Ricklin musste sich also mit einer Auswahl aus meinen Bewerbungsschreiben und Lebensläufen begnügen. Ich hingegen schloss Juris USB -Stick an meinen Computer an und kam problemlos in seine Dateien, die durch kein Passwort gesichert waren.
    Der Stick erwies sich trotzdem als eine Herausforderung, systemlos waren unzählige Ordner und Dokumente darauf abgespeichert, solche mit russischem, mit deutschem, englischem und manchmal auch ohne Titel. Wahllos öffnete ich ein paar Ordner. Ich stiess auf Buchhaltungsdateien, Auszüge von Abrechnungen, wie mir schien. Ich nahm an, dass die Dateien mit Juris Arbeit zu tun hatten. Juri erledigte ab und zu etwas für eine Firma, die irgendwelche Konsumprodukte nach Russland exportierte. Als nächstes öffnete ich eine englische Powerpoint-Präsentation zu den russisch-schweizerischen Handelsbeziehungen, die mich nicht interessierte. In vielen Ordnern waren, wie ich feststellte, Fotos gespeichert, wohl an die tausend Bilder. Ich stiess auf Ferienfotos, Aufnahmen aus einem tropischen, vermutlich südamerikanischen Land. Dass Juri in Südamerika gewesen sein sollte, erstaunte mich. Die Reisegruppe bestand aus ungefähr sechs Männern mittleren Alters, allesamt begleitet von jungen Frauen. Von denen ich nicht annahm, dass es sich um die Ehefrauen handelte, die Mädchen waren jung, ziemlich jung. Das passte irgendwie nicht zu Juri. In anderen Ordnern fand ich Fotos von Jachthäfen, gutgekleidete Menschen auf einem Schiff, eine Abendgesellschaft auf einer Terrasse, eine mir unbekannte Familie an einem Swimming-pool. Ich war verblüfft. Juri hatte wohl irgendwann in seinem Leben Zugang zu besseren Kreisen gehabt.
    Ich liess die Fotos bleiben, schliesslich wollte ich Juri ausfindig machen. Ich erinnerte mich an die Nummern aus seinem Mobiltelefon.
    Beim ersten Anruf landete ich bei einer Firma namens Impexpo, eine Frau war am Apparat. Wie sie mir sagte, hatte Juri ab und zu für Impexpo gearbeitet, was allerdings schon eine Weile her war. Vor einigen Tagen hatte er sich gemeldet und nach Arbeit gefragt. Wo ich ihn finden konnte, wusste sie nicht.
    Auch die zweite Nummer stellte sich als eine Geschäftsnummer heraus. Freundlich erklärte ich dem Herrn am Telefon, wer ich sei und dass in die Wohnung meines Nachbarn eingebrochen worden war. Ich fragte ihn, ob er Juri Salnikow kenne und vielleicht wisse, wo er zu finden sei.
    «Wer sind Sie?», die Stimme mit ausländischem Akzent war misstrauisch. Ich wiederholte meinen Namen. Den seinen hatte ich genauso wenig verstanden, aber ich fragte nicht nach.
    «Ich bin eine Nachbarin von Herrn Juri Salnikow. Ich suche ihn dringend, weil in seine Wohnung eingebrochen worden ist.»
    «Hä? Sind Sie die Freundin von Salnikow?»
    «Mein Name ist Kovacs», sagte ich zum dritten Mal. «Ilka Kovacs. Wie gesagt, ich bin eine Nachbarin von Herrn Salnikow. Er scheint verreist zu sein und weiss vermutlich nichts vom Einbruch. Er ist seit einigen Tagen nicht zurückgekommen. Ich versuche ihn deshalb zu erreichen.»
    «Wo ist denn Salnikow jetzt?»
    War der Typ blöd, verstand er mich nicht?
    «Ich rufe an, weil ich dachte, dass Sie mir vielleicht sagen könnten, wo ich ihn erreichen kann.»
    «Wie kommen Sie auf uns?»
    «Er hat Ihre Telefonnummer notiert», log ich.
    «Wir kennen keinen Salnikow.»
    Das Telefon wurde grusslos aufgehängt. Was war denn das gewesen? Eine Firma, die so ähnlich wie Adfi geklungen hatte, vom Namen des Mannes hatte ich nur ein paar Zischlaute in Erinnerung, ein russischer Name vielleicht.
    Bei der nächsten Nummer meldete sich eine verschlafene Männerstimme, was ich schon mal sympathisch fand.
    «Hallooo?»
    Diesmal fasste ich mich kürzer und
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