Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde
Autoren: Barbara Lutz
Vom Netzwerk:
blieb mit einem unguten Gefühl in meiner Küche sitzen und machte mich daran, festzuhalten, welche Gegenstände sich in dem Koffer befunden hatten. Die Beamten hatten mich darum gebeten. Es tat mir leid, dass ich mir den Kofferinhalt nicht genauer angesehen hatte.
    «Kl. Plastikpuppe, Ledersandalen, Seidenschal», stand auf dem Blatt vor mir, als mir ein Gedanke kam. Ich hatte Juris USB -Stick nicht in den Koffer zurückgelegt. Ich fand ihn in der Tasche einer Jeans, die ich nicht wieder getragen hatte.
    Kurz nach acht Uhr läutete es an der Tür. Ricklin, der Zivilpolizist, der mich nach meiner Fassadenkletterei auf dem Polizeiposten befragt hatte, stand da. Ich war überrumpelt. Er entschuldigte sich und fragte, ob er sich umsehen dürfe. Ich konnte seinen Besuch nicht recht einordnen, traute er seinen Kollegen nicht, kam er von einem anderen Dezernat, hatte ich mich verdächtig gemacht? Sie hatten ihn nicht angekündigt.
    Ricklin ging zuerst hoch in Juris Wohnung, ich war gar nicht auf die Idee gekommen, aber gut möglich, dass sich der Einbrecher auch dort herumgetrieben hatte. Nach einigen Minuten kam Ricklin zurück, sagte aber nichts. Er schaute sich kurz und ohne allzu grosses Interesse meine Wohnungstür an und liess dann den Blick über meine Einrichtung gleiten. Ich fragte mich, was er von meiner Wohnung halten mochte, von meiner zufälligen Zusammenstellung an alten Möbelstücken, von der Ölheizung, den verblichenen Tapeten und zerkratzten Türen. Sicher kümmerte sich bei ihm zu Hause eine Gattin um stilvolle Einrichtung.
    «Darf ich?», fragte er höflich und wechselte von der Stube in das Zimmer, das ich als Büro verwende. Er fragte mich, ob etwas fehle. Ich verneinte, sagte aber, dass ich trotzdem das Gefühl hatte, Schränke und Schubladen seien gründlich durchsucht worden. Ricklin setzte sich an meinen Schreibtisch, und ich entfernte eilig eine Bewerbung, die unvollendet zuoberst auf dem Schreibtisch lag. Ich schmiss sie ins Altpapier. Es wäre sowieso nichts daraus geworden.
    «Haben sie sich am Computer zu schaffen gemacht?», fragte Ricklin, und ich wunderte mich über die Mehrzahl, ich war von nur einem Einbrecher ausgegangen.
    «Das weiss ich nicht. Er steht jedenfalls noch gleich da.»
    «Ich möchte überprüfen, ob sie an Ihrem Computer waren. Dafür muss ich ihn aber starten», das war als Frage gemeint, er sah mich aufmerksam an.
    «Ja, bitte», antwortete ich etwas perplex, das Ganze wurde mir doch langsam ziemlich privat. Ich überlegte, ob ich etwas in meinem Computer hatte, was er nicht sehen sollte, und räumte ein paar herumstehende Dinge vom Schreibtisch, um Platz zu machen.
    «Was ich vom Kofferinhalt noch habe, ist ein USB -Stecker», teilte ich Ricklin mit. Er schwieg einen Moment, beschäftigt mit meinem Computer. Dann drehte er sich zu mir hin.
    «Ihr Laptop wurde heute Nachmittag um 15:00 Uhr geöffnet. Waren Sie das?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    «Haben Sie irgendwelche Dateien in Ihrem Computer, die jemanden interessieren könnten?»
    Wir starrten jetzt gemeinsam auf meinen Desktop und auf die dort angezeigten Ordner, bei den meisten handelte es sich um Bewerbungen.
    «Meine Steuererklärung?», fragte ich.
    «Ja, dann müssen Sie wohl in Kürze mit einer Erpressung rechnen», zum ersten Mal sah ich ihn lächeln, «und den USB -Stick würde ich gerne mitnehmen.»
    Ich bin über das Alter hinaus, in dem alles, was Polizei ist, automatisch mein Feind war. Die Polizei kann Frauen vor häuslicher Gewalt schützen, beispielsweise. Trotzdem war es mir unangenehm, einen Polizisten nett zu finden, und sei es auch nur ansatzweise. Was mir an Ricklin gefiel, war, wie unbeeinflussbar er wirkte. Wie nüchtern. Weder daraus, dass ich in einer abgenutzten Bruchbude wohnte, noch daraus, dass sich in meinem Computer vor allem Bewerbungen befanden, schien er irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Ich hatte das Gefühl, dass solche Dinge für ihn unwesentlich waren. Das gefiel mir.
    Ricklin fragte mich noch weiter aus, über Juri, seine russischen Freunde und was er so tat und weshalb sich jemand für seine Sachen interessieren könnte. Da hatte ich selbst keine Ahnung.
    Schliesslich erhob sich Ricklin und ging noch einmal aufmerksam und in sich versunken von Zimmer zu Zimmer, zuletzt ins Schlafzimmer. Ich folgte ihm auf Distanz und stand im Gang herum. Ich lehnte neben der Eingangstür im Schlafzimmer, als er sich umdrehte und direkt auf mich zukam. Wir sahen uns in die Augen, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher