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Runlandsaga - Wolfzeit

Runlandsaga - Wolfzeit

Titel: Runlandsaga - Wolfzeit
Autoren: Robin Gates
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plötzlich übertragen worden waren.
    Er hatte nun den Ausgang des Gebäudes erreicht. Die eisenbeschlagene Doppeltür vor ihm führte nicht nur aus der Schriftensammlung hinaus, sondern auch aus dem Ordensbezirk von Sol. Obwohl die Tür geschlossen war, vernahm Pándaros bereits jetzt die gedämpften Straßengeräusche der Stadt, das Rumpeln von Karren und das Stimmengewirr einer Vielzahl von Menschen.
    Mit einiger Anstrengung zog er die schwere Tür gerade so weit auf, dass er durchschlüpfen konnte. Die Geräusche nahmen an Lautstärke zu. Sofort strahlte Sonnenlicht mit sommerlicher Wärme auf seinen kahlen Schädel. Er zog sich die Kapuze seiner Robe über und eilte, sich nach rechts wendend, die Straße entlang, auf den Weg zum Markt.
    Fleisch zum Mittagessen, wie ärgerlich! Das wäreihm jetzt recht gewesen. Stattdessen musste er sich noch wenige Stunden vor dem Beginn des Vellardinfestes um die letzten Kleinigkeiten des Rituals kümmern. Wenigstens hatte er auf seinem Weg nach draußen noch Zeit gefunden, seinen Mitbruder Gaidan zu bitten, dass er ihm etwas von dem Essen für später aufheben sollte. Er hoffte, dass dieser das nicht vergaß. Mit gesenktem Kopf schritt Pándaros voran, die Augen auf seine bloßen Füße gerichtet, die in ledernen Sandalen steckten und ihn über das Pflaster der Hauptstraße trugen.
    Sol war Runlands südlichste Stadt und gleichzeitig auch die Größte. Nicht einmal Tyrzar an der Küste der Halbinsel von Haldor oder Lilinsat, das Juwel des Weinanbaugebietes Delorn, besaßen mehr Einwohner. Als Hafenstadt lebte sie vom Handel. Schon an gewöhnlichen Tagen glich sie einem riesigen Bienenstock. Nicht einmal nachts kam sie völlig zur Ruhe. Um so mehr schien Sol vor Geschäftigkeit aus allen Nähten zu platzen, wenn eines der hohen Jahresfeste bevorstand, die in ganz Runland von den Menschen wie von den Erstgeborenen gefeiert wurden. Dann übertönten sich die Ausrufer auf dem Marktplatz in der Mitte der Stadt und in den angrenzenden Gassen, wo fahrende Händler aus dem Umland ihre Stände aufgebaut hatten, gegenseitig im lautstarken Lob ihrer Waren. Um jeden Vorbeigehenden wurde gewetteifert, als hinge das Überleben des Anbieters von genau diesem etwaigen Käufer ab. Die Hafenarbeiter legten doppelte Schichten ein, um die zusätzlichen Ladungen an Öl, Gewürzen und Lebensmitteln in den Lagerhäusern an den Pieren zu verstauen, von wo aus sie schon bald zu den Läden und Buden der Händler weiter verfrachtet wurden. Was auch immer zu Geld gemacht werden konnte, lebendes Vieh und Geflügel oder eingelegtes Fleisch, Wolle oder Felle, Wein, Gewürze oder teures Räucherwerk – an kaum einen Ort in Runland kamen so viele zum Verkauf angebotene Waren zu einem derart wilden Durcheinander an Farben, Gerüchen, Tiergebrüll und Marktschreierei zusammen wie hier.
    Pándaros war so sehr in seine Gedanken vertieft, dass ihm das laute Treiben, das ihn umgab, jedoch kaum auffiel. Er hatte noch mehr zu erledigen als diesen Einkauf, und es blieben nur mehr wenige Stunden bis zum Beginn des Rituals.
    Die Herrin des Rades allein mochte wissen, warum Bendíras ausgerechnet ein paar Tage vor der Vellardinnacht so krank geworden war, dass er sich nicht um seine Pflichten für die Vorbereitung der Heiligen Vereinigung hatte kümmern können. Pándaros war sein Leben lang gelehrt worden, dass der Hohen Cyrandith jedes Schicksal gleich wertvoll sei. Aber je mehr Jahre er im Dienst an ihrem Geliebten, den Sommerkönig, verbracht hatte, desto mehr regte sich bei ihm in manchen Momenten der Verdacht, dass Cyrandith womöglich doch nicht so gleichmütig auf alles blickte, was sie träumte.
    Vielleicht bereitete es ihr ja sogar ein gewisses Vergnügen, zuweilen ein paar Steine in das Mahlwerk geordneter Lebensumstände zu streuen. Vielleicht war dies der Grund, weshalb sich Bendíras zur Zeit auf dem Krankenlager wegen einer Magenverstimmung die Seele aus dem Leib erbrach und seine Mitbrüder, die sich immer auf ihn und seine Talente verlassen hatten, nun so aufgeschreckt herumliefen wie Ameisen, in deren Haufen jemand mit einem Stock hineingestochen hatte.
    Wodurch genau der Hohepriester erkrankt war, hatte nicht geklärt werden können. Einige hatten hinter vorgehaltener Hand gelästert, dass es wohl nicht an verdorbenem Essen gelegen hätte, sondern an der Menge, die der Mann im Laufe der letzten Jahre in sich hineingestopft hatte.
    Doch was auch immer der Grund gewesen sein mochte, ein Zufall, ein
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