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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde
Autoren: Eva Demski
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Abwechslung den mit Weißbrotbröseln, Hackfleisch und Käse gefüllten Halb und Halb (halb rohe, halb gekochte Kartoffeln) sehr gern hat. Mir ist der zu grob, ich habe ihn im Verdacht einer besorgniserregenden Modernität. Wo sowas geht, ist das Ketchup
nicht weit. Andererseits ist die Brutalität – die lüsterne Brutalität – des Zerteilens erst dann wirklich schön, wenn das Innere, das Magma des Knödels hervortritt.
    Auch dies wie eine Erinnerung: das Tröstende, das Abmildernde der runden Speise. Essensreste in mageren Zeiten verloren ihre Traurigkeit, wenn man sie klein schnitt oder hackte und einen sanften Teig um sie herumschloß, ein Neuerschaffenes glitt da ins Wasser, das niemals kochen darf, immer viel und immer gesalzen sein muß, auch bei den süßen Knödeln. Der Knödel: Das war eine scheinbare Üppigkeit in ärmlichen Zeiten, ein Aufscheinen des Barocken dort, wo die Menschen eher gotisch aussahen.
    Heute ist der Knödel verpönt, denn er hat die Gestalt, die wir anzunehmen fürchten, wenn wir uns seinem Genuß hingeben. Das ist schade. Manchmal schmuggeln die feinen Köche, die nicht aufhören können, das Runde zu lieben, ganz kleine Knödel auf die Teller, das sind Nocken, aber die Hoffnung bleibt, daß sie sich allmählich wieder zu richtigen Knödeln auswachsen könnten, die nicht nur für kleine Buben Inbegriff des Glücks sind.
    Um den Leberknödel und seine Würdigung habe ich mich bisher gedrückt, denn es gibt Bewahrer der reinen Lehre, die in ihm nur die bayerische Abart eines Klopses sehen. Und ein Klops ist kein Knödel, außerdem ist der Leberknödel nicht wirklich rund, oder anders gesagt: Wenn er wirklich rund gedrechselt ist, schmeckt er nicht, weil zuviel Brot drin ist. Und Leber überhaupt … Aber wie es eben mit der Liebe ist: Bei mir gehört er dazu, und bei meinem jugendlichen Experten sowieso, denn in einem Leberknödel ist bekanntlich kein Fleisch, und so ist er ein vegetarisches Essen, und es werden (wie für die Schweinsbratensoße) keine Tiere dafür umge
bracht. Ihm steht auch jenes Gemüse gut zu Gesicht, das sonst fürchterlicherweise immer mit der Sanftheit des gekochten Kartoffelknödels oder gar, horribile dictu, des Semmelknödels gepaart wird: das Sauerkraut. Der Leberknödel darf es haben, die beiden passen zusammen, und es schadet nichts, wenn man den Leberknödel für diese Verbindung aus der obligatorischen Fleischbrühe fischt.
    Wie viele von der ebenso verschämten wie großen Gemeinde der Knödelliebhaber werde ich jetzt unzufrieden gelassen haben, der Quarkknödel beispielsweise nicht ernsthaft gedenkend oder des Germknödels? Auch über das geheimnisvoll anrüchige Innenleben des Mohnknödels haben wir nicht wirklich reflektiert. Meine böhmische Großmutter, die eine große Knödelköchin war (was meine Mutter bestreitet, die aus purer Schwiegermutterphobie eine noch bessere Knödelgestalterin wurde), also meine Großmutter hätte laut gelacht, wenn man ihr die Verbindung von Mohn und Rauschgift hätte einreden wollen. Aus Mohn macht man Knödel. Allenfalls noch Strudel. Vieles wäre besser auf der runden Erde, wenn man Knödel daraus machte.
    Wer Knödel macht, muß ein nachdenklicher, ruhiger, in sich gekehrter Mensch sein. Das Reiben, das Schnippeln, Mischen und Rühren, die zärtlich gebohrte Kuhle im Teig, die die Füllung aufnehmen soll, schließlich der wahre Schöpfungsakt: das Formen mit feuchten oder bemehlten Händen, das Runden und Glätten. All das bedarf der Einkehr und der Geduld. Ein Hektiker bringt keine gescheiten Knödel fertig.
    Spätestens beim Essen wird man für die Zeit der Stille entschädigt. Knödel sind ein Essen, das der Geselligkeit bedarf. Die traurigste denkbare Kombination wäre ein Single und ein Knödel. Auf einer flachen Schüssel müssen sie liegen, ein
ander berührend, aber nicht bedrückend, die Knödel. »Neun Stück habe ich geschafft« , sagt der spindeldürre Neffe stolz. »Sie sind aber auch saugut gewesen.«
    Ess, ess, ess ich Estragon?
    Was, was hätt ich denn davon?
    In den Essig Estragon?
    Ja, das geht. Das wars auch schon.

Ein Tausender das Kilo
    Also, sagt die Dame im geräumigen Pepitakostüm, wir haben daheim die Kartoffeln für die Suppe erst leicht angebraten, mit dem
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