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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Autoren: Willibald Alexis
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beweglichen Augen, wenn sie aus den blonden Augenbrauen besondere Blicke schossen, anziehen. Es war schwer zu sagen, wovon diese Blicke sprachen, ob von Verstand, Gefühl, Sinnlichkeit, ob sie stachen, suchten, lockten, ob sie aus einer beglückten oder zerissenen Brust kamen. Sie konnten einen sehr verschiedenen Glanz annehmen, nur nicht den der ursprünglichen Wahrheit, jenen Glanz, der auf den ersten Blick einnimmt und überzeugt. Man sah in diesen Augen, daß sich die Gedanken und Gefühle erst sammeln mussten, um ihrem Blick den Ausdruck zu geben, den sie wollte. Es war überhaupt etwas Besonderes in der Frau; es lag in ihrem Wesen Ruhe und Unruhe. Man konnte sie in diesem Augenblick für sehr bedeutend, im nächsten für ein gewöhnliches Weib halten. Ihre Kleidung war einfach aber gesucht; zwischen der zu Grabe getragenen Rokokomode und dem griechischen Ideal, das Mode geworden. Kurze eng anschmiegende Aermel, ein weit ausgeschnitten Kleid mit kurzer Taille, die eine rosaseidne Schärpe noch mehr hervorhob, aber ein Ueberwurf um die Schultern und die langen Handschuhe suchten die Entfaltung der griechischen Nacktheit wieder zu verbergen.
    Der Geheimrath entschuldigte sich wegen seiner Toilette. Er hatte Ursache. Die Geheimräthin sagte lächelnd, sie hätte für dieses Aeußerliche keinen Sinn. Aber während er seine Füße in den Pantoffeln zu verstecken suchte, ohne sich doch der Bemerkung enthalten zu können, daß er sich von ihnen nicht trennen könne, weil sie noch von seiner seligen Frau gestickt wären, verbarg die Geheimräthin keineswegs ihre sehr zierlichen Füße auf dem Schemel, als sie mit der sanften, fast süßen Stimme, durch die nur zuweilen ein seiner, schneidender Ton fuhr, sagte:
    »Man muß gestehen, daß der Herr Schwager die Treue gegen die selige Geheimräthin bis zum Exceß kultiviren.«
    »Und wie geht es denn meinem theuern Bruder, dem Geheimrath?« seufzte er. »Wir haben uns so lange nicht gesehen. Ach Gott, wir Geschäftsmänner!«
    »Er ist in seinen Büchern vergraben.«
    »Er kultivirt nicht das Leben,« fiel der Hausherr ein. »Ich hatte immer gehofft, daß eine so spirituelle Frau ihm einen Elan geben würde.«
    »
Passons là-dessus,
« sagte die Geheimräthin, mit einer eigenthümlichen Bewegung des Fächers. »Ich begreife freilich zuweilen nicht, warum eigentlich die Männer auf der Welt sind, die sich nichts aus ihr machen. Aber ich bin gewissermaßen in seinem Auftrage hier.«
    »Von einem Gelehrten wie er weiß ich diese Attention zu schätzen. Warum musste er aber neulich wieder ablehnen? Zu einer einfachen Suppe,
à la fortune du pot,
ein Paar gute Freunde nur.«
    »Lupinus sagt, er verdirbt sich bei Ihnen immer den Magen.«
    »Scherz, Scherz! Spanische Suppen kann ich freilich nicht vorsetzen, auch ist mein Malaga, mein Hochheimer, kein Falerner. Nichts als was ein armer Mann bieten kann. Müssen uns alle nach der Decke strecken, aber herzlich gegeben und – gut gekocht.«
    »Wenn Ihre Charlotte will, kocht sie trefflich,« sagte die Geheimräthin mit einem jener Blicke, von denen wir sprachen – »Sie werden sich schwer von ihr trennen können,« setzte sie langsam hinzu. »Sie werden sich vielleicht nie von ihr trennen wollen.«
    Der Blick und die Beobachtung hatten für den Geheimrath etwas, was ihn aus seiner Ruhe brachte.
    »Liebste Schwägerin, in meiner Lage – in meinen Dienstverhältnissen, begreifen Sie, muß ich dann und wann kleine Diners arrangiren – man muß sich Freunde – man muß die Gönner warm halten. Einer hilft dem Andern. Es geht einmal nicht anders.«
    »Das begreife ich vollkommen,« sagte die Schwägerin mit dem gedehnteren Tone, »aber zu Ihren Diners bestellen Sie ja die Schüsseln beim Koch Corsika.«
    »Das wohl, in der Regel wenigstens, – indessen –«
    »Essen Sie auch gern zu Hause gut. Und damit Sie immer gut gekocht bekommen, ist Ihnen darum zu thun, daß Charlotte immer bei guter Laune ist. Der Kalkul ist richtig, nur verdenken Sie es Ihrer Familie nicht, wenn sie einen andern macht –«
    »Welchen, meine verehrteste Schwägerin?«
    »
Mon beau-frère,
« sagte die Geheimräthin, mit dem Fächer einige kurze bedeutungsvolle Schläge durch die Luft führend, »die Familie hofft, daß Sie ihr nicht den Chagrin anthun werden, die Person zu heirathen.«
    Der Geheimrath wurde roth, aber nicht sehr, er klatschte mit beiden flachen Händen auf die Kniee und seufzte: »Ja – man wird doch auch mit jedem Jahr älter. Und eine
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