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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
Autoren: Else Buschheuer
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betrete die Agentur.
    Mein weibliches Personal, die Chicken-Combo, läuft wispernd auseinander. Fred macht Stretching-Übungen auf meinem Schreibtisch. Ich werfe den Aktenkoffer daneben.
    »Grüß Gott!«
    »Wenndn triffst!« Ein Brüller! Fred trägt Dockers von Levi Strauss, ein Button-down-Hemd von Eddie Bauerund College-Schuhe, 99 Mark bei Karstadt. Seine Augenbrauen sind keilförmig gezupft wie die des frühen Sean Connery. Sein Gesicht langweilt durch die vollkommen uninteressante Zusammenstellung von Augen, Mund und Nase. Sein Haupthaar ist so akkurat auf Volumen gefönt, dass unser Runner ihm den Spitznamen Königspudel gegeben hat. Zudem schmückt ihn ein Mösenbart, aber diese Umschreibung der Handvoll Bart um den Mund kommt nicht vom Runner, sondern von Dietrich.
    Als Fred bemerkt, dass ich seine Replik nicht lustig finde, springt er wie von der Tarantel gestochen von meinem Stuhl auf und sagt diensteifrig »Guten Morgen, Frau Kramer«, obwohl schon längst Nachmittag ist. Dann sieht er schelmisch auf seine Armbanduhr. Besser: Er sieht dahin, wo eine wäre, wenn er eine hätte, und ergänzt: »Je später der Morgen, desto schöner die Gäste.«
    Er braucht einen Dämpfer. »Schmeicheleien langweilen mich. Entweder Sie überzeugen mich mit Ihrer Arbeit oder gar nicht.«
    Fred lächelt. Er ist wie immer widerlich gut drauf: naturstoned. Und seine Scherze bewegen sich wie immer auf dem Niveau von Furzkissen.
    Um dem nächsten Kalauer zuvorzukommen, erzähle ich ihm rasch einen Witz aus der Harald-Schmidt-Show. Fred ist ein zuverlässiger Lacher. Allerdings lacht er meist leicht über seinem Niveau und weit unter meinem. »Was sagt Charles zu Camilla, wenn im Radio ›Candle in the Wind‹ kommt?«, frage ich. Er macht ein gespanntes Gesicht, nimmt einen Bleistift vom Tisch und klopft damit an seine Zähne. Ich löse: »Er sagt: Hör mal! Sie spielen unser Lied!«
    Fred wartet.
    »Das war ’s!«, sage ich. »Können Sie mir folgen, Fred, oder denke ich zu rasch?«
    Nun fällt er in eine Art Ganzkörperkrampf, weil er die Pointe allzu gern verstünde, aber vergebens.
    »Das Lied, Fred!«, mahne ich geduldig. »Elton John hat es nach Dianas Tod geschrieben! Ein Totenlied! Unser Lied!!«
    Über sein vom Selbstbräuner leicht gelbliches Gesicht huscht Verstehen. Aber sein Lachen klingt irgendwie bedrückt. Da fällt mir ein, dass er ein bekennender Di-Fan ist und erst kürzlich nach Paris zur Todesstätte der Prinzessin pilgerte. Was soll’s! Lieber einen guten Assistenten verlieren als einen guten Witz.

6. Fangfrische Ömchen
    Robert und ich auf dem Weg ins Kino. »The Killer« von John Woo. »Die nächste rechts«, rufe ich, während ich eine SMS an einen Kunden schicke, und Robert fährt links, weil er inzwischen weiß, dass ich links meine, wenn ich rechts sage. Natürlich schleppt mich dieser bekloppte Cineast in die Originalfassung, kantonesisch mit englischen Untertiteln.
    Nebenan schiebt sich ein Hyundai mit Potsdamer Nummer auf unsere Höhe. Hinterm Steuer eine Frau, graue Schüttelfrisur, Busen weggebuckelt, packt das Lenkrad an, als wolle sie es mit der Wurzel ausreißen. Plötzlich schwenkt der Hyundai auf unsere Spur, ohne zu blinken. »Der hamse wohl ins Hirn jeschissen!«, brüllt Robert und haut auf die Hupe. »Los!«, sage ich. »Fahr den Broiler platt!«
    »Broiler! Hmmm!« Roberts Adamsapfel hüpft. »Duliebe Güte! Du bist ja dermaßen krass mit deiner Meinung unterwegs!«
    Jetzt erst fällt mir ein, dass Robert selbst ein Broiler ist, allerdings ein ausgewanderter, ein nach fast 20 Jahren in der westlichen Welt einigermaßen brauchbar gewordener Mensch. Er selbst hat es mal euphemistisch formuliert, als er sagte, er sei »noch nicht hundertprozentig in dieser Gesellschaft angekommen«. An seiner Frisur kann man es noch sehen, an diesem pelzmützenartigen Haarbesatz mit Seitenscheitel, der im Zusammenspiel mit der dicken 70er-Jahre-Hornbrille an den frühen Wim Wenders erinnert. Und an seinem pastell gemusterten Hemd. Und daran, dass er wie ein Bekloppter an jeder roten Ampel die Handbremse hochreißt. Und dass er bei Gelb immer erst bremst und dann doch noch mal anzieht und rüberfährt. Kein Wunder, dass er außerstande ist, meine bahnbrechenden Studien zu honorieren.
    »Guck doch mal, wie die hinterm Steuer sitzt!« Ich beuge mich nach vorn und fotografiere die Hyundai-Fahrerin. Sie sieht tatsächlich aus wie eines dieser eingeschnurrten ostdeutschen Grillhähnchen und guckt fies in meine
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