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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
Autoren: Else Buschheuer
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wie »Heilhitler« oder »Mahlzeit«
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Grußformel mit Antwortschein.
    Ich hab ja eine Antwort: »Dito.« Dito passt immer. Aber man kann genauso gut »Schnauze« sagen. Merkt sowieso keiner. Ich will das gleich mal nebenan im Knack & Back-Shop testen.
    »Tachschön«, knurrt die Verkäuferin abgetörnt. Ihre Frisur, eine Ruhrpott-Palme, steht himmelwärts wie eine Fontäne.
    »Guten Tag. Ich hätte gern zwei Brötchen.«
    »Drei wat?«
    »Ähm … Schrippen. Zwei.«
    »Noch wat außa Schrüppm?«
    »Danke. Das ist alles.«
    »Macht sechzig Pfennje. Schöntachnoch!«
    »Schnauze!«
    »Dankeschön! Wiedasehn!«

3. Dietrich oder die Banalität der Mösen
    Kurz vor Mitternacht auf dem Weg zu Dietrich kaufe ich die Zeitung von morgen – neben der Erfindung der Polaroid und des halterlosen Strumpfes ein Mysterium, das mich immer wieder zum Staunen bringt: Heute schon die Zeitung von morgen lesen!
    Dietrich steht jeden Abend mit verächtlichem Gesicht hinterm Tresen einer Kudamm-Bar. Eine sterile Touri-Bar, die allein seinetwegen meine Stammkneipe geworden ist. Er begrüßt mich mit Dabistduja! Egal, ob wir uns erst gestern oder schon drei Jahre nicht gesehen haben. Egal, ob ich Geburtstag habe oder nicht. Dietrich ist das lebende Beispiel dafür, dass zu viel Intelligenz ein Gesicht genauso zerstören kann wie zu viel Dummheit. Er sieht aus wie eine Mischung aus Woody Allen, Max Schautzer und dem Buchbinder Wanninger, was er natürlich bestreitet. Seit ich ihn kenne, liest er sich in Bibliotheken das Weltwissen an. Das hat ihn hart gemacht. Er mustert ausgiebig meinen Anzug, meinen Borsalino und die Hermès-Krawatte.
    »Du siehst fast aus wie ein Mann«, stellt er fest. Ich grinse: »Du auch!«
    Er zieht sich mit einem Flunsch in die Schmollecke zurück. Nach angemessenen fünf Minuten frage ich ihn, ob er mich auf meine Aids-Gala begleiten wolle. Er wirft das Geschirrtuch über die Schulter und kratzt sich am Kopf. Ganz Opfer seiner intellektuellen Überheblichkeit,findet er fast alles, was in der Welt vorgeht, würdelos. Außer Sex. Seit er über Sade promoviert, den er stets ehrfürchtig den »Göttlichen Marquis« nennt, hat sein Liebesleben bizarre Formen angenommen.
    »Aids-Gala? Is da was Fickbares?«
    Es ist mir wirklich schleierhaft, wie man sich so fürs Rammeln begeistern kann! Ich halte es da eher mit Woody Allen: Masturbation ist wenigstens Sex mit jemandem, den man mag.
    Ein Gast mit Prinz-Heinrich-Mütze winkt ungeduldig von der anderen Seite des Tresens.
    »Mooment mal!«, ruft Dietrich unwirsch. Das kann er ja nun gar nicht leiden, wenn ein Gast stört.
    Ich versuche, ihn zu ködern. »Du weißt doch: Unter dem Firnis der Gesellschaftsregeln brodelt es gewaltig. Außerdem gibt es ein Büfett …«
    »Büffeeeh? Ach nö! Da geh ich lieber in den Puff.«
    Er weist mit dem Kopf auf eine hübsche Kellnerin, die eben vorbeigeht. »Wie findest du diesen Arsch?«
    Der Restaurantchef nähert sich: »Herr von Müller«, sagt er, sieht Dietrich scharf an und betont das »von«, als sei ihm eben zu Ohren gekommen, dass es durch Adoption erschlichen ist. »Würden Sie sich bütte um Ihre Gäste kümmern?« Er nickt in Prinz Heinrichs Richtung.
    Das macht mich irgendwie wütend. »Mal schön den Ball flach halten, Sie Komiker«, rufe ich dem Restaurantchef zu, »ich gebe eben eine Bestellung auf!« Er sieht mich jetzt erst und errötet. Immerhin gelte ich als Garant für pompöse Geschäftsessen. Sogar mein Schirm wird hier extra gestellt. »Oh! Verzeihen Sie, Frau Kramer, ich habe … ich bin …« Und zieht Leine.
    »Warum rennst du eigentlich dauernd in den Puff?«
    Dietrich macht große Nasenlöcher: »Sade sagt: Wennman keine Moral besitzt, frisst sich die Verderbtheit wie Wundbrand ins Herz.«
    »Ja, der! Und du?«
    »Vielleicht studiere ich die Banalität der Mösen?«
    »Du bist ein Idiot!«
    »Das hat doch damit nichts zu tun!«
    Dietrich schnaubt wie ein Pferd und zuckelt gen Tresenende. Jetzt ist erst mal Prinz Heinrich dran. Der will ein Schultheiss vom Fass. Ich überlege, ob ich die Wohnungstür abgeschlossen und die Kaffeemaschine ausgemacht habe.
    »Waren die beiden Sachsen noch mal bei dir? Die … wie hießen die noch?«, ruft Dietrich vom Zapfhahn aus.
    »Maik mit ›ai‹ und Mändy mit ›ä‹. Gott bewahre! Die sind erst mal gewarnt.«
    Ich rufe einige SMS von meinem Handy ab. SMSen ist meine liebste Kommunikationsform. Man kann sich unterhalten, ohne sprechen zu müssen.
    Leider nicht, ohne
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