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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde
Autoren: Elke Heidenreich
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meiner in diesen Dingen doch so prüden und verklemmten Mutter den Hof zu machen schien.
    »So, dann krieg ich jetzt also einen neuen Papa«, sagte ich, um bewußt das Thema zu beenden, worauf meine Mutter ein trotziges Gesicht machte, die Tasse hart absetzte, das Teelicht ausblies, aufstand und begann, den Tisch abzuräumen.
    »Wenn man euch mal was erzählt.« Dann verstummte sie beleidigt. Bald darauf gingen wir.
    Im Auto bekam ich Streit mit Luisa, die mir klarmachte, daß ich doch froh darüber sein sollte, daß meine Mutter so einen Galan -
    ja, sie sagte Galan - hätte, der würde doch gerade mich, der ich mich nur ungern um meine Mutter kümmerte, wunderbar entlasten.
    Ganz zu schweigen davon, wie begrüßenswert es doch wäre, daß sie sich noch einmal quasi verliebt habe.
    »Du glaubst-?«
    »Wie auch immer. Er ist ihr wichtig. Er tut ihr gut.«
    »Glaubst du, da läuft was?«
    »Nein - sicher nicht - sie siezen sich ja noch - aber vielleicht nur vor uns.«
    Meine Mutter, die froh war, als ihr Mann das - wie sie es einmal ausgedrückt hat - nicht mehr verlangte, würde sicher nicht mit siebzig mit einem achtzigjährigen Hans Albers ein Verhältnis anfangen. Nein, das wird schon im Bereich des galanten Verehrers und Freundes verharren müssen.
    »Da kann man sich auch verdammt irren, denk mal an Hildchen«, sagte Luisa.
    Hildchen, die Mutter meines Freundes Urs, war natürlich ein ganz anderes Kaliber als meine Mutter. Hildchen, die sich selbst so nannte, hatte schon drei Männer unter die Erde gebracht.
    Immer wieder hatte sie einen geheiratet, der älter und gebrechlicher war als sie, aber Geld hatte. Irgendwann starben diese Männer, und Hildchen war wieder etwas reicher. Vor einiger Zeit saß sie - damals etwa siebzig Jahre alt - mit Alfons, ihrem vierten Mann, bei ihrem Sohn in der Küche. Wir waren auch da, es war ein lustiger Abend. Alfons, den sie Fonsi nannte, sicher um die Achtzig, ein gemütlicher, leicht einfältiger Bayer, fraß ihr aus der Hand, war stolz auf sie und pries immer wieder sein spätes Glück mit ihr. Und irgendwannn an diesem bierseligen Abend fiel der Satz, der uns erstarren ließ, den Fonsi aber Gott sei Dank nicht verstand.
    »Wenn einer von uns beiden stirbt«, sagte sie, »dann ziehe ich nach Sylt.«
    Fonsi lächelte sie glücklich an und streichelte ihre Hand.
    In den Wochen nach dem Kennenlernen erfuhr ich wenig über Herrn Löhlein. Ich fragte nicht nach ihm, wenn ich mit meiner Mutter telefonierte, und sie erwähnte ihn nicht. Was ich erfuhr, kam von Luisa, der die Mutter sozusagen von Frau zu Frau erzählte.
    Herr Löhlein war Lebensmittelpunkt für meine Mutter geworden.
    Man sah sich fast täglich, entweder bei ihr zum Tee oder im Cafe.
    Man blieb beim Sie, und man machte Tagesreisen mit Bahn oder Bus, manchmal auch mit seinem Auto. Man ging in Konzerte, ins Theater, zu Verkaufsveranstaltungen, wie sie meine Mutter liebte, und zweimal passierte, was zuvor undenkbar gewesen wäre: Ich wollte meine Mutter besuchen, aber sie hatte keine Zeit für mich, sozusagen keinen Termin für mich frei. So vergingen drei Monate.
    Eines Tages sagte Luisa: »Irgendwas stimmt nicht, sie hat am Telefon kein Wort von Löhlein gesagt. Ich glaube, es ist aus.«
    Am Wochenende fuhren wir hin. Wir hatten uns ein Arrangement ausgedacht. Nach dem Tee würde ich verschwinden, um noch einen alten Freund zu treffen, so dass Mutter Gelegenheit hätte, sich bei Luisa, zu der sie Vertrauen hatte, auszusprechen.
    Es war eine seltsam anmutende Teestunde. Mutter erzählte von einer Theateraufführung im Club der Berliner, erregte sich über eine lokalpolitische Posse, den Bau eines teuren Festspielhauses, und sagte, ich glaubte, nicht richtig zu hören:
    »Ja, wenn dein Vater noch lebte, der würde ihnen was erzählen!
    Das konnte er. Der hat sich nichts gefallen lassen! Der hätte sofort eine Bürgerinitiative gegründet - wie damals gegen den Flughafen.«
    Ich liebte sie für diese wenigen Sätze, mit denen sie zum ersten Mal seit dem Tod meines Vaters so etwas wie Anerkennung für ihn ausdrückte.
    »Und Herr Löhlein«, sagte ich nach einer Pause, »wehrt der sich nicht?«
    Sie versteinerte und sagte nur knapp:
    »Ich möchte nicht, daß dieser Name in diesem Hause noch einmal genannt wird!«
    Dann schwiegen wir, und ich verabschiedete mich.
    Luisa holte mich bei meinem Freund ab.
    Kaum saßen wir im Auto, fragte ich:
    »Und, was ist mit Herrn Löhlein?«
    Luisa lächelte wehmütig und erzählte
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