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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig
Autoren: Jörg Juretzka
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geblieben. Die Fotos waren entschlüsselt, die Männer klar zu erkennen, Sieblings PC als Beweismaterial an die Mülheimer Polizei übergeben worden. Eine Handvoll der ekelhaftesten Bilder ging an Leylas Mailbox. Sie zeigten, unter anderem, Onkel Ben und Onkel Ali. Wir hatten sie mittlerweile ausgedruckt und zusammen mit einem kurzen, schriftlichen Statement den Belagerungstruppen draußen in die Hände gedrückt.
    „Peelaert ist in der Fahndung. Bis jetzt noch keine Spur.“ Leblanc seufzte. „Peelaert, Kryszinski. Musste es ausgerechnet Benjamin Peelaert sein, Echternacher Urgestein und Luxemburger durch und durch? Warum konnten Sie diese Scheiße nicht dem lieben Kollegen und gebürtigen Belgier Bastonnier in Diekirch anhängen?“ Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Leblanc die Zeit seines Lebens hatte. Fernsehinterviews, Schlagzeilen noch und noch, europaweites Medienecho: Sein Stern strahlte.
    Vorsichtig verschob ich den Eisbeutel an meiner Backe. „Reiff?“, fragte ich.
    „Zurzeit nicht vernehmungsfähig. Wird allerdings, egal was kommt, niemals wieder an der alljährlichen Echternacher Springprozession teilnehmen. Dr. Niemann-Jura versucht, eine Amputation des Beins zu verhindern, doch ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass der gute Professor nicht wirklich mit dem Herzen bei der Sache ist.“
    „Frau Reiff?“
    „Tja. Sagen Sie mir was zu Ann-Kathrin Reiff.“
    „Eine Heilige oder ein Monster.“
    „Ja, auch mein Eindruck. Entweder vollkommen idiotisch ahnungslos, oder aber die beste Schauspielerin, die ich je erlebt habe. Hat den toten schwarzen Jungen gefunden und einen Zusammenbruch erlitten. Nicht vernehmungsfähig, da unter starken Beruhigungsmitteln.“
    „Onkel Ali?“
    „Den haben mir die Jungs aus der Hauptstadt aus den Händen genommen. Denn - das werden Sie jetzt nicht gerne hören, Kryszinski - der Mann hat einen Diplomatenpass. Und Bahrain zeigt sich unwillig, diesen Status aufzuheben. Das wird noch ein Tauziehen, doch was den Ausgang angeht, bin ich pessimistisch.“ Wir hängten ein, als das Knattern von Rotorblättern näher kam und schließlich alles andere übertönte.
    Zwei Minuten später klopfte Menden an die Tür, ich händigte ihm die Maschinenpistole aus, er reichte sie an die Uniformierten weiter, und Leblanc tauchte hochzufrieden ins Licht der Fernsehscheinwerfer, um die Geiselnahme für beendet zu erklären. Da ich meinen Unterkiefer praktisch nicht mehr bewegen konnte, hatte ich auch für Menden einen Schrieb aufgesetzt, den ich ihm jetzt in die Hand drückte. Er las ihn mit seiner üblichen Miene mangelnder Begeisterung und unausrottbarer Skepsis. Leblanc kam rein und sah ihm über die Schulter. „Was denn“, meinte er, „gibt Kryszinski Ihnen etwa auch schriftliche Anweisungen? Genau wie mir.“
    „Ich hab ihm schon hundertmal gesagt, um mir befehlen zu können, hätte er entweder rechtzeitig eine polizeiliche oder aber eine politische Laufbahn einschlagen müssen. Doch es ist zwecklos. Er hört nicht zu.“
    „Siebling?“, fragte ich ihn.
    „Sitzt in U-Haft. Er leugnet, hat allerdings gewisse Schwierigkeiten, den sechsstelligen Bargeldbetrag zu erklären, den wir bei ihm gefunden haben. Morgen konfrontieren wir ihn mit seinem Rechner.“
    „Wittig?“
    „Frau Wittig haben wir ebenfalls in Haft genommen. Verdunkelungsgefahr. Im Moment analysieren wir die Verbindungsdaten ihres Dienstanschlusses und ihrer diversen privaten Telefone.“ Er drehte sich zu Leblanc. „Haben Sie mir die Daten der Handys aus dem verunglückten BMW mitgebracht?“
    Leblanc zog ein paar gefaltete Seiten aus der Manteltasche und reichte sie Menden. „Die Anschlüsse der Reiffs werden noch untersucht“, sagte er. „Das können wir abgleichen, sobald unsere Spezialisten damit durch sind.“
    Menden überflog die Listen, nickte mit einem schmalen Grinsen, das bei ihm so selten wie besorgniserregend ist, und steckte sie ein. Besorgniserregend, solange er gegen dich ermittelt, heißt das.
    „Nehmen Sie mal den Beutel da weg“, sagte er dann zu mir.
    Er besah sich meine Backe, pfiff durch die Zähne. „Wir bringen Sie jetzt ins Krankenhaus“, entschied er. „Die Jungs bleiben bei mir.“
    „Ja, ja.“
    „Ey, heißt das, wir müssen nicht ins Bett? Geil.“
    Ein Zahnarzt mit Kopfkissenfalten auf der Wange holte uns am Schalter der Stationsschwester ab. „Wozu die Entourage?“, fragte er, sah von Yves zu Sean und dann zu Menden.
    „Moralische Unterstützung“,
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