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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig
Autoren: Jörg Juretzka
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Einige musste ich mehrmals stellen. Vor allem die nach dem >familiären Zerwürfnis<, das Nazdar aus dem Haus getrieben hatte. Niemand lungerte im Flur herum, um seine befleckte Ehre mit meinem Blut reinzuwaschen, also hastete ich zur Tür meines Apartments und kramte nach meinen Schlüsseln.
    „Wir kommen aus einer einfachen Gegend, Herr Kryszinski.“
    Ich konnte so direkt fragen, wie ich wollte, die Antworten des Patriarchen kamen auf Umwegen daher. „Unsere Nachbarn, hier wie zu Hause, sind einfache Leute. Ich mache fast alle meine Geschäfte mit einfachen Leuten. Traditionen sind stark, bei uns. Doch der Mann, den ich Nazdar ausgesucht habe, er taugt nichts.“ Einer der anwesenden männlichen Verwandten, ein schwammiger Typ mit auffallend roten Backen, war bei diesem Satz unmerklich zusammengezuckt. „Er ist ein Schurke. Nazdar hat es früh erkannt, ich leider erst sehr spät. Ich muss blind gewesen sein. Bitte, Herr Kryszinski, finden Sie meine Nazdar. Sagen Sie ihr, alles ist vergeben.“
    Aus irgendeinem Grund fragte ich erst mal nicht weiter nach, sondern ließ ein Schweigen entstehen. „Sagen Sie ihr auch, sie darf heiraten, wen sie möchte. Ihr Herz soll entscheiden. Sie soll nur zurückkommen. Nach Hause.“
    Nach Hause. Richtig heimelig hatte das geklungen. Wir machen dich tot, Krisinski stand quer über die Tür zu meinem Zuhause gekrakelt. Manchmal denke ich, ich sollte meinen Namen auf diese Schreibweise ändern. Würde das Leben für alle so viel einfacher machen. Ihr Preis ist mein Preis. Ein unwiderstehlicher Satz, bei einem Kontostand wie dem meinen. Sie hatten mir einen Dolmetscher zur Seite gestellt, einen aus der Familie, den ich schon am ersten Tag irgendwo am Bordstein stehen ließ, nachdem Nazdars beste Freundin bei seinem Anblick fast ihre Zunge verschluckt hätte. Kein guter Auftakt, sollte man meinen. Doch ich hatte den Job einmal angenommen, und meine täglichen Berichte wurden prompt und in bar entlohnt. Nazdar war von zu Hause erst mal zu ihrem deutschen Freund gezogen. Ich fand ihn im Krankenhaus, minus seiner Schneidezähne, die Nase ein dick verbundener Klumpen, Rippen und eine erkleckliche Anzahl anderer Knochen geschient, er selbst zu keinerlei Aussage bereit.
    Ab da, kann man sagen, dämmerte mir endgültig, worauf ich mich eingelassen hatte.
    Von ihrem Freund war Nazdar zu dessen Freund geflüchtet, der hatte sie an einen Kumpel vermittelt, und der wiederum hatte die kleine Nazdar, wie das gern passiert mit Leuten, die ohne Bleibe oder sonst wie erpressbar sind, seither als Drogenkurierin zwischen Ankara und Düsseldorf missbraucht. Ein bisschen verschärfte, dann sehr verschärfte Überredung, und es gelang mir, sie von diesem Typen loszueisen. Ich verabredete ein Versöhnungstreffen mit ihrem Vater. Ich fuhr vor. Nazdars Brüder kamen aus dem Haus, und der jüngste schoss ihr fünfmal in den Kopf.
    Nein, natürlich nicht. Ich mag einen Schaden haben, aber so bescheuert bin ich nun doch nicht. Ich fuhr vor, die Brüder kamen aus dem Haus, und der jüngste schoss der mit einem Kopftuch maskierten Puppe auf dem Rücksitz fünfmal in den Kopf. Dann war Menden angerückt, und mit ihm ein SEK. Nazdar lebte seither an einem unbekannten Ort und, wie ich, in der vagen Hoffnung, die blutrünstige Hysterie ihrer Verwandten möge sich irgendwann legen. Nichts versaut dir das Leben so sehr wie begründete Angst darum. Mich hatte sie letztendlich in einen Hausmeisterjob im Wohnpark Nord gehetzt. Noch nicht ganz in meinem seit Wochen nur noch sporadisch genutzten Apartment, und das Telefon klingelte. Es war Scuzzi.
    „Dein Hund hat sich gerade sehr gehaltvoll quer über meinen Wohnzimmerteppich erbrochen.“
    „Ja, das macht er gerne.“
    „Außerdem kratzt er sich unaufhörlich. Als ob er Flöhe hätte.“
    „Ja, das ist möglich.“
    „Er bellt. Ohne Anlass, ohne Sinn und Verstand.“
    „Dann ist ihm meistens langweilig.“
    „Und er furzt, Kristof. Und wenn er furzt, schwinden einem die Sinne.“
    „Ja, das kenne ich.“
    „Und er furzt andauernd.“
    „Vielleicht gibst du ihm das falsche Futter.“
    „Es ist das Zeugs, das du gekauft und mitgebracht hast.“
    „Nach 'ner Weile riecht man das kaum noch.“
    „Was noch hinzukommt, Kristof, ist der Eindruck, dass dieses Tier mich nicht besonders mag.“
    „Ja, er ist da etwas wählerisch.“
    „Also, wann kommst du ihn holen?“
    „Oh, das kann noch dauern.“
    „Alles, was über zwanzig Minuten hinausgeht, und ich
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