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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
Autoren: Cathy Lamb
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und umklammerte meinen Hals, der sich regelrecht durchbohrt anfühlte. Ich fiel zu Boden und trat wie wild um mich, dann wurde ich ohnmächtig. Momma erzählte mir später, sie hätte gedacht, der Teufel hätte sich meiner Seele bemächtigt.
    Noch ein Beispiel: Als ich vor zwei Jahren in einem schäbigen Dorf in Indien unter den Ärmsten der Armen arbeitete, bekam ich auf einmal Magendrücken und -brennen. Auf einem Karren voller Hühner musste ich zurück in die Stadt gebracht werden. Cecilia hatte eine akute Blinddarmentzündung und war operiert worden.
    Und noch so ein abgefahrenes Beispiel: Als ich Fotos von der amerikanischen Bombardierung Bagdads machte, duckte ich mich hinter eine Betonbarriere. Die Kugeln flogen mir nur so um die Ohren. Eine streifte mein Bein. Sofort bekam ich eine hysterische Nachricht von Cecilia aufs Handy. Sie dachte, ich wäre tot, weil sie ihr Bein nicht bewegen konnte.
    Das ist abgedreht. Beängstigend. Aber es ist die Wahrheit.
    Ich schlug die Hände vors Gesicht und blieb der Länge nach auf der Arbeitsplatte in der Küche liegen. Ich ging nicht ans Telefon, sondern wartete, bis der Anrufbeantworter ansprang. Dann hörte ich ihre Stimme: eine Mischung aus Feldwebel und Cruella De Vil.
    »Geh ran, Isabelle!«
    Ich rührte mich nicht.
    »Ich weiß, dass du da bist«, blaffte Cecilia-Cruella, nun schon wütend. Cecilia-Cruella ist fast immer wütend. Seit jener furchtbaren Nacht mit der entsicherten Waffe und den Albträumen vom Dschungel, als wir noch Kinder waren.
    Ich schlug mit der Stirn auf die Arbeitsplatte. »Ich bin nicht da«, murmelte ich.
    »Und du hörst auch zu, nicht?« Die vertraute Ungeduld in ihrer Stimme.
    Ich hauchte auf den Granit, wo sich eine heiße, kreisförmige Wolke bildete, und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte ich. »Ich höre nicht zu.«
    »Verdammt, Isabelle, ich weiß genau, dass du am Ende bist und völlig aufgelöst. Wahrscheinlich hast du vor, schnell in irgendein afrikanisches Dorf oder auf eine abgelegene Insel zu verschwinden, um dem Ganzen zu entkommen, aber das läuft nicht. Vergiss es! Hast du kapiert, verflucht? Vergiss es!«
    Ich hauchte noch eine Atemwolke auf die Arbeitsplatte. Ein Regentropfen fiel von meiner Nase wie ein flüssiger Diamant. »Du fluchst zu viel, und ich bin nicht am Ende«, sagte ich ganz leise. »Warum sollte ich am Ende sein? Ich werde nicht tun, was sie von mir verlangt. Denn wenn ich es täte, würde ich mich klein fühlen, und mir würde alles falsch vorkommen, was ich eigentlich richtig finde. Die liebe Depression wird kommen und sich in meinem Kopf einnisten. Das mache ich nicht mit.« Bei dem Gedanken erschauderte ich.
    »Du hast Angst. Das kann ich spüren«, behauptete Cecilia am Telefon. »Das kannst du nicht vor mir verbergen.«
    »Angst ist nichts mehr für mich«, sagte ich zitternd vor mich hin. »Schluss damit.«
    »Wir müssen auch über das sprechen, was mit dir passiert ist, Isabelle. Bild dir nicht ein, dass du das verheimlichen kannst«, hakte sie nach, als unterhielten wir uns ganz normal. »Jetzt nimm endlich den verfluchten Hörer ab, bevor ich richtig sauer werde!«
    Ich liebe Cecilia. Sie hatte es nicht verdient – niemand hatte es verdient … was sie letztes Jahr mit ihrem fiesen Arsch von Ehemann durchgemacht hatte. Mein Jahr war auch nicht gerade nett gewesen, aber ihres war schlimmer.
    »Isabelle!«, brüllte Cecilia-Cruella, damit ich abnahm. »Na schön, Isabelle. Gut. Reiß dich zusammen und ruf mich an, wenn du aus dem Bett steigst und der Typ abgehauen ist.«
    Mein Kopf schnellte hoch. Sie wusste es! Es kam ständig vor, dass sie Bescheid wusste, wenn ich einen Mann da hatte. Einmal sagte sie zu mir: »Stell es dir so vor: Ich hab nicht den Spaß dabei, den du hast, aber manchmal weiß ich es einfach, weil ich schwachen Zigarettenrauch rieche.«
    Alles klar? Abgedreht.
    »Ich bin längst aus dem Bett, also hör auf zu meckern«, murmelte ich.
    »Isi«, flüsterte Cecilia. Der Anrufbeantworter konnte ihre Stimme kaum wiedergeben. »Lass mich bitte nicht im Stich.«
    Cecilia flüsterte so gut wie nie. Sie musste mehr als verzweifelt sein. Ich ignorierte meine Schuldgefühle.
    »Du musst mir helfen. Du musst uns helfen«, fügte sie hinzu.
    Nein, ich muss nicht helfen. Ich muss weder ihr noch uns helfen.
    »Ohne dich schaffe ich das nicht. Ich klappe zusammen, wie ein fettes Nashorn.« Damit legte Cecilia auf.
    Ich will mein eigenes Leben so psychisch gesund wie möglich führen.
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