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Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Titel: Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Autoren: Mirjam Mous
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einer Woche wieder erreichbar.«
    »Jemand anderes dann? Dein Vater?«
    »Gestorben. Schon vor ein paar Jahren.«
    »Wie alt bist du?«
    »Sechzehn.«
    »Was machst du hier in Spanien?«
    »Urlaub. Ich sollte mit meinem Halbbruder in den Bergen wandern gehen, aber…« Sobald ich an Martijn denke, juckt etwas hinter meinen Augen. »Na ja, das klappte also nicht. Dann bin ich allein mit dem Rucksack losgezogen und kam…«
    Perez fällt mir ins Wort. »Wo bist du überall gewesen?«
    Ich nenne ein paar Orte, an die ich mich erinnern kann. Racotta, Santa Pol und La Lina.
    Perez sieht mich durchdringend an. Mich überkommt das unheimliche Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben. Dann schlägt er auf einmal knallhart mit der Faust auf den Schreibtisch. Ich kriege einen Mordsschrecken.
    »Warum hast du sie umgebracht?«, schnauzt er.
    »I-ich habe niemanden umgebracht.«
    »Was hast du dann im Hotelzimmer von Señora Somez gemacht?«
    Somez. Jetzt, da ich den Namen des Opfers kenne, fühlt es sich noch widerwärtiger an. Sie ist nicht mehr einfach eine willkürliche Tote – was ich übrigens auch schon widerlich genug fand. Durch ihren Namen wird sie persönlich. Ich frage mich plötzlich, was für ein Typ Frau Somez war. Ruhig und unauffällig oder eher aufbrausend wie ein Flammenwerfer? Löste sie gerne Kreuzworträtsel wie meine Mutter und war sie so verrückt aufs Kochen wie Martijn? Oder hatte sie vielleicht ganz besondere Hobbys wie Tiefseetauchen oder Bobfahren? Und so nehmen wir nun Abschied von Frau Somez, eingefleischte Abenteuerin… Als ich mir vorstelle, wie ihre Familie oder Freunde sie vermissen werden, muss ich schlucken. Ich sehe sie wieder auf dem Boden liegen. Neben ihrem Bett, die Beine leicht gespreizt. Sie trug nur noch einen ihrer Flipflops, der andere lag weiter entfernt. Ihre Augen standen weit offen und starrten die Wand an. Leere Augen, wie von einer Puppe.
    Plötzlich wird mir hundeelend. Das Hotelzimmer beginnt zu kreisen und das Büro dreht sich. Jetzt und damals und damals und jetzt. Alles läuft durcheinander, fließt ineinander. Einen Moment weiß ich nicht mehr, wo ich bin.
    »Fin?« Jemand schüttelt mich.
    Perez. Ich erkenne sein weinerliches Gesicht. »Ja?«
    »Was hattest du in ihrem Hotelzimmer zu suchen?«
    Frau Somez. Ihr Name wird für den Rest meines Lebens in mein Hirn gemeißelt sein. »I-ich wollte ihr etwas zurückbringen. Ihren Geldbeutel. Sie hatte ihn vergessen.«
    »Meinst du den Geldbeutel, den du zum Zeitpunkt deiner Verhaftung bei dir trugst?«, fragt Perez.
    Als hätte Frau Somez tausend verschiedene Geldbeutel. In ihrem Koffer, unter dem Bett, im Medizinschränkchen, im Bad…
    »Genau den, ja.« Ich nicke. »Sie hatte ihn an der Bar liegen lassen.«
    »Bist du sicher, dass er nicht einfach in ihrem Zimmer lag?« Perez’ Blick durchbohrt mich. »Du hast ihn genommen und wolltest weggehen, aber dann kam Señora Somez plötzlich aus dem Badezimmer und erwischte dich dabei?«
    Was redet der Mann für einen Unsinn? Ich sehne mich fast nach Barbalalas unverständlichen Sätzen.
    »Val kann es bezeugen«, sage ich. »Sie sah, dass Frau Somez ihren Geldbeutel vergessen hatte, und bat mich, ihn ihr zu bringen.«
    »Valerie Reina?« Perez lächelt, was in Kombination mit seinem Triefgesicht ziemlich beängstigend aussieht.
    »Ja, aber ich nenne sie immer Val. Wie all ihre Freunde. Ich war die ganze Zeit bei ihr, bis ich zu dieser Frau ging, um ihr den Geldbeutel zurückzubringen. Val weiß, dass ich es nicht getan habe, sie kann meine Aussage bestätigen. Eigentlich hätte sie längst schon hier sein müssen, aber vielleicht haben die Polizisten vergessen, ihr zu sagen, dass ich hier bin. Ich würde sie ja gern anrufen, aber ihre Telefonnummer ist in meinem…«
    Er unterbricht mich. »Valerie weiß sehr gut, wo du bist.«
    Aus der Ferne rollt etwas Unheilverkündendes heran.
    »Es kommt sogar noch dicker.« Er lässt die Rückenlehne seines Stuhls federn. Nach hinten, nach vorn, nach hinten, nach vorn – als säße er auf so einer blöden Federwippe. »Sie hat uns benachrichtigt, gleich nachdem du Señora Somez umgebracht hattest.«

5
    Zeit: drei Wochen und fünf Tage früher
Ort: Flughafen Schiphol – Niederlande
    Meine Mutter und der Saugnapf brachten mich gemeinsam zum Flughafen. Wahrscheinlich befürchtete er, sie könne plötzlich mit mir nach Spanien flüchten, denn er hielt unablässig ihre Hand. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, nannte er sie auch noch
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