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Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Titel: Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Autoren: Mirjam Mous
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Saugnapf erzählt. Ich weiß nur, dass sie irgendwo an der Westküste ist, aber ich habe keine Ahnung, in welcher Stadt oder in welchem Hotel. Sie könnte genauso gut auf dem Mond sein oder wie Martijn an einem geheimen Ort.
    Ich kann es nicht ändern, auf einmal werde ich von Selbstmitleid überwältigt. Alle denken nur an sich und lassen mich im Stich. Normalerweise bin ich wirklich nie aggressiv. Aber der Gedanke an alle anderen, die ihren Spaß haben, während ich hier mutterseelenallein in der Zelle hocke, löst etwas in mir. Auf einmal überkommt mich ein ganz großes Bedürfnis, mich an dem Brettbett auszuleben. Baff! Dummer Saugnapf. Baff! Fuck Amerika. Baff! Eklige Kakerlaken. Baff! Dreckspenn. . .
    »Fin van Toor?«, erklingt eine näselnde Männerstimme.
    Meine Faust schwebt in der Luft. Vor mir steht ein Mann, der aussieht, als könne er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Das ist nur Schein. Seine Augen bleiben trocken und er schüttelt mir munter die Hand, nachdem er die Zelle geöffnet hat. Wahrscheinlich hat er einfach nur Pech und ist mit einem traurigen Gesicht geboren.
    »Ich bin Inspektor Perez«, sagt er, »und ich möchte gern mit dir über das reden, was geschehen ist.«
    Es dauert ein paar Sekunden, bis es zu mir durchdringt: Ich verstehe ihn, er spricht englisch! Mann, was bin ich erleichtert. Ich unterdrücke die Neigung, Perez um den Hals zu fliegen, sonst denkt er noch, ich sei schwul. Nicht, dass ich was gegen Schwule hätte, im Gegenteil. Aber ich bin es nun einmal nicht und manchmal sollte man besser klare Verhältnisse schaffen, vor allem, wenn man auch schon beweisen muss, dass man kein Mörder ist.
    Wieder werde ich zu dem Büro mit dem Schreibtisch und dem Stiftigel geführt. Der Ventilator hängt noch immer an der Decke, aber Barbalala ist verschwunden. Wahrscheinlich nicht für länger, denn Perez setzt sich nicht auf ihren Stuhl. Er rollt den Bürostuhl vom zweiten Schreibtisch neben den von Barbalala und setzt sich. Der unbequeme Holzstuhl ist wieder für mich.
    »Die Klimaanlage im Verhörraum ist kaputt«, sagt Perez. »Dies ist der einzige Raum, in dem man es bei dieser Hitze noch einigermaßen aushalten kann. Ich nehme an, es macht dir nichts aus, dass wir hier reden?«
    Er wartet meine Antwort nicht ab und nickt Barbalala zu, die mit einem schwarzen Gerät unter ihrem fleischigen Arm und einer Plastiktüte mit geheimnisvollem Inhalt hereinkommt. Ihr Gesicht ist mit kleinen Schweißtropfen übersät.
    »Hast du etwas dagegen, wenn wir dir DNA abnehmen?«, fragt Perez.
    Natürlich nicht. Ich bin unschuldig.
    »Nein«, sage ich.
    Er nimmt die Tüte von Barbalala und leert sie aus. Ich sehe ein Plastikröhrchen mit einem Etikett, Plastikhandschuhe und ein verschweißtes, überdimensioniertes Wattestäbchen, das mich an einen Riesengehörgang voller Ohrenschmalz denken lässt. Perez streift sich die Handschuhe über und packt den Wattestab aus. Er ist nicht für meine Ohren, sondern für meinen Mund gedacht.
    »Aufmachen«, kommandiert Perez.
    Er schabt ein wenig Schleim von der Innenseite meiner Wangen. Dann steckt er den Stab in das Röhrchen und beschriftet das Etikett.
    Barbalala hat mittlerweile das schwarze Gerät auf dem Schreibtisch platziert. Sie drückt zwei Tasten ein, sagt ein paar Worte, spult zurück und hört sich an, ob der Text gut aufgenommen ist. Was ich übrigens für sehr vernünftig halte, denn der Rekorder – das ist es also – sieht aus, als sei er noch vor dem Krieg produziert worden. Dann lacht sie und macht das »Alles-ist-ok«- Zeichen mit Daumen und Zeigefinger. Perez sagt etwas und danach lacht auch er, wodurch ich das Gefühl bekomme, dass sie mich beide auslachen. Ich finde es daher gar nicht schlimm, als Barbalala wieder verschwindet. Das Röhrchen mit meiner DNA nimmt sie mit.
    Perez drückt die Aufnahmetasten des Rekorders, nennt unsere Namen und vermutlich – aber das rate ich nur – Datum und Uhrzeit. »Hast du einen Ausweis dabei?«, fragt er. »Damit wir feststellen können, ob dein Name richtig ist.«
    »Mein Pass ist in meinem Rucksack.«
    »Wo wohnst du?«
    Ich erkläre, dass ich aus den Niederlanden komme. »Den Haag.« Ich nenne die Adresse.
    »Wer wohnt noch dort?«
    »Meine Mutter. Sonst niemand.«
    »Wenn du mir die Telefonnummer gibst, kann ich sie darüber informieren, dass du hier bist.«
    »Das wird nicht gehen. Ich weiß nicht genau, wo sie ist. Sie macht mit ihrem Freund Carl eine Rundreise durch die USA und ist erst in
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