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Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Titel: Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Autoren: Mirjam Mous
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Unterhaltungswert eines Vergnügungsparks. Eine Stunde kann einem hier durchaus dreimal so lang vorkommen. Vor allem, wenn man so grottenschlecht im Raten ist wie ich.

2
    Zeit: heute
Ort: Polizeiwache Francaz – Spanien
    Schlurfende Schritte. Mein Kopf federt hoch.
    Es ist die dicke Polizistin in ihrer grünen Uniform. Ihr gigantischer Bauch wogt auf und ab. Sie erinnert mich an Barbalala – genau, die grüne von den Barbapapas. Ich hatte als Kind ein Bilderbuch von denen. Im Normalzustand sehen die Barbapapas aus wie Riesenbirnen, aber sie können ihren Körper mit einem einfachen Zauberspruch in jede gewünschte Form verwandeln. Ich wünschte, ich besäße diese Gabe auch. Dann würde ich mich spaghettidünn zaubern und könnte durch die Gitterstäbe flutschen.
    Ich brauche keine Zauberei. An Barbalalas Gürtel hängt ein Schlüsselbund. Sie schaut kurz zu dem schlafenden Obdachlosen hinüber und öffnet dann die Zellentür. Ihr runder Kopf gibt mir ein Zeichen, dass ich ihr folgen soll.
    Endlich! Ich stelle die Füße auf den Boden, ohne weiter auf die Kakerlaken zu achten. Ich weiß, dass sie noch dort sitzen, aber es interessiert mich nicht mehr.
    Barbalala verschließt die Zellentür wieder hinter mir. Dann geht sie vor mir her den Gang hinunter.
    Ich habe dasselbe befreite Gefühl wie nach dem letzten Klingeln vor den Schulferien. Val ist hier, ich bin ganz sicher. Gleich bekomme ich meine Kleider zurück und dann darf ich gehen.
    Barbalala führt mich über einen Flur in ein Büro mit einem großen Schreibtisch, auf dem sich Pappordner stapeln, umgeben von einem Laptop, einem gelben Memoblock, einem Igel mit Stiftstacheln, zwei Plastikbechern mit Wasser und einer großen, viereckigen Schachtel. Hinter dem Schreibtisch steht ein gepolsterter Lehnstuhl auf Rädern mit verstellbaren Armlehnen. Er klagt nicht, als Barbalala ihren enormen Leib in ihn fallen lässt.
    Der Stuhl vor dem Schreibitsch ist aus hartem dunklem Holz. Der ist also für mich. Es ist die Art Stuhl, bei der man ganz von selbst gerade sitzt, vor allem, wenn man nichts trägt außer einer Badehose. Aus irgendeinem Grund muss ich an den elektrischen Stuhl denken. In Amerika gibt es immer noch Staaten, in denen die Todesstrafe verhängt wird. Wie ist das eigentlich in Spanien? Na ja, manche Sachen möchte man gar nicht wissen.
    Das Büro wirkt genauso verschlissen wie meine Zelle. Weil eine normale Klimaanlage fehlt, kreist über meinem Kopf ein Ventilator. Ein kupferfarbenes rotierendes Gerät mit dunkelbraunen Flügeln. Ich hasse Ventilatoren. Vor allem, wenn sie an einer niedrigen Decke kreisen und die Aufhängung, statt stabil und vertrauenswürdig auszusehen, hin und her schlackert wie bei diesem Exemplar. Ich muss die ganze Zeit daran denken, was passieren kann, wenn er sich losreißt – drehende Flügel, die sich in Messer verwandeln –, mein Kopf in Scheiben, Hirnklümpchen an der Wand…
    Ich versuche, den Ventilator aus meinen Gedanken zu verbannen, indem ich mich auf andere Dinge konzentriere. Die Uhr an der Wand, die fünf vor halb zwölf zeigt. Der zweite Schreibtisch in der Ecke, der Wasserspender, der Kalender, dessen Blätter schon seit Monaten nicht mehr abgerissen wurden, die Pinnwand mit Zeitungsausschnitten und einem Plakat. Ich kann nicht entziffern, was darauf steht.
    »Wo ist Val?« Meine Stimme ist seltsam heiser.
    Barbalala schiebt mir einen Becher Wasser hin. Plötzlich merke ich, wie durstig ich bin. Ich schütte den Inhalt in einem Zug hinunter und frage dann erneut: »Wo bleibt Valerie?«
    Meine Stimme klingt jetzt um einiges besser, aber Barbalala versteht mich nicht oder will mich nicht verstehen. Sie zeigt auf die Schachtel und sagt etwas auf Spanisch. Ich nehme an, dass sie Pizza enthält und sie wissen will, ob ich Hunger habe, also nicke ich.
    Zum zigsten Mal schaue ich mich um. Ich entdecke noch eine Tür hinten im Raum, daneben eine Garderobe, aber Val ist wirklich nirgends zu sehen. Es sei denn, sie hätte sich hinter dem zweiten Schreibtisch versteckt, um gleich hervorzuspringen. »Überraschung!« Valerie liebt Spielchen.
    Barbalala klappt die Schachtel auf. Es ist tatsächlich Pizza drin. Mit Tomate, Champignons, Käse und leider, leider auch mit Schinken. Hat sie mich deswegen aus der Zelle geholt?
    »Ich esse kein Fleisch«, sage ich zuerst auf Niederländisch, und als sie mich glasig anschaut, auch auf Englisch.
    Sie versteht es nicht.
    Hätte ich es nur nicht immer Martijn überlassen, alles
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