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Roman

Roman

Titel: Roman
Autoren: Shari Low
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Gewissheit, dass ich die Identität meines zukünftigen Ehemannes ganz sicher kannte. Ich schnappte mir den pinkfarbenen Kerzenständer und sang mit, bis jeder in Hörweite verstand, wieso ich bei Bananarama keine Chance hatte.
    Kurz vor der hohen Stelle, die bei mir klang, als würde man mir bei lebendigem Leib die Finger amputieren, schaltete ich mich wieder in die Unterhaltung ein. »Glaubt ihr, dass Tom das für mich singen wird, wenn wir verheiratet sind?«
    Ginger, die sich aus dem Fenster lehnte und eine rauchte, drehte sich kurz zu mir um. »Moment mal, Loopy Lou! Tom gehört mir, vergiss das nicht! Du kannst von mir aus diesen Iceman haben.«
    Normalerweise hätte ich jetzt protestiert, aber ich wusste genau, dass Ginger mit ihren offensichtlichen anatomischen Vorteilen diesen Wettstreit gewinnen würde.
    Ich: klein, Körbchengröße 75 A, ein Gesicht, das gegen unscheinbar tendierte, und Haare in einem lebhaften Straßenköterblond – jedenfalls bevor die Stylistin in dem Friseursalon, in dem ich samstags immer jobbte, Amok gelaufen war und sie in experimentell punkiges Blau getaucht hatte.
    Ginger: ein Meter achtzig, Körbchengröße 85 D, athletisch gebaut, eine Mähne aus leuchtend roten Korkenzieherlocken, die aus ihr die westschottische Version von Diana Ross gemacht haben.
    Ästhetisch also ein klarer Sieg für Ginger. Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf die Dinge, denen ich mehr gewachsen war – meine Freundin Lizzy, die inzwischen auf der anderen Bettseite versuchte, eine Art Walzer zu tanzen.
    »Lizzy, kannst du jetzt endlich mit der blöden Tanzerei aufhören! Das letzte Mal brauchte ich anschließend eine neue Matratze. Meine Mum zieht mir deshalb immer noch jeden Monat was von meinem Taschengeld ab.«
    »Wo ist deine Mum eigentlich? Mich wundert, dass sie noch nicht hier war, um zu kontrollieren, ob wir rauchen.«
    »Ich schätze …« – ich schaute auf meine Armbanduhr und rechnete kurz nach – »… auf der M8 irgendwo in der Nähe von Lanark.«
    »Wieso das denn?«
    »Weil mein Dad auf dem Nachhauseweg vom Fußballspiel mal wieder im Zug eingeschlafen ist und seinen Ausstieg verpennt hat. Ein Schaffner hat vom Bahnhof in Waverly angerufen, um Bescheid zu geben, dass sie ihn an der Endstation gefunden hätten, sich aber weigern, ihn mit zurückzunehmen, weil er total blau ist. Angeblich haben sie sechsundzwanzig verschiedene Telefonnummern gewählt, bevor sie bei uns durchkamen, weil er nicht mehr richtig sprechen kann. Glaubt ihr, Tom Crui…, ich meine, Val Kilmer ist im wahren Leben auch ein Säufer, der mich jeden Samstag quer durchs Land fahren lässt, um ihn irgendwo aufzulesen?«
    »Bestimmt.«
    Ginger drückte ihre Zigarette auf der Fensterbank aus und wischte die Asche mithilfe eines Kleenex und eines Schuss aus ihrer Wodka-Orange-Dose fort. Irgendein Schlauberger – ich glaube, es war Gingers großer Bruder Red (der eigentlich Ronald hieß, aber dieselbe genetische Disposition zu roten Haaren hatte wie seine Schwester) – hatte uns mal geraten, am besten Wodka zu trinken, weil er geruchsneutral sei und daher niemand merke, dass man Alkohol getrunken habe. Eine großartige Theorie … solange man nicht wie unser Tollpatsch Lizzy einen geruchlosen Wodka zu viel konsumierte, in völliger Überschätzung der eigenen Fähigkeiten versuchte, einen Absperrpoller zu überspringen, hängen blieb und sich zwei Zähne ausschlug. Zum Glück ist ihr Onkel Zahnarzt und konnte den physischen Schaden beheben.
    Das mentale Trauma jedoch – drei Monate Hausarrest unter täglichen Vorhaltungen ihrer Mutter, der Santa Carla vom Orden des heiligen Geschreis – heilte, wie ich vermutete, nie. Ebenso wenig wie die erlittene Schmach, weil sich der Stunt innerhalb von fünf Minuten überall herumgesprochen hatte. Aber so ist das nun mal, wenn man in einer Kleinstadt wohnt. Weirbank war zwar nur zwanzig Meilen von der pulsierenden Metropole Glasgow entfernt, aber hier kannte jeder jeden, und selbst eine minderschwere Erniedrigung reichte als Unterhaltung für die ganze Stadt.
    Take Your Breath Away war inzwischen zu Ende, und der miese DJ von Radio Clyde konstruierte einen noch mieseren Übergang zu Notorious . Auf Simon Le Bon stand ich nicht sonderlich, aber ich hätte meinen kompletten Vorrat an Mentholzigaretten, meine Lippenstiftsammlung, meine gesamten Mixtapes und eine Niere für eine Nacht mit dem Gitarristen John Taylor hergegeben. Das lag wohl an seinem verhungerten Äußeren und der Art,
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