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Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)

Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)

Titel: Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
Autoren: Alexandra Balzer
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Tänzerin ist nicht bereit.“
    Ledrea trat dicht an das verwitterte Geschöpf heran, das sich nun langsam, wie unter großen Schmerzen, zu bewegen begann.
    „Auch die Gefährten sind nicht bereit. Starke Magie wurde gewirkt und wirkt noch immerfort an. Die Tänzerin muss jetzt ihren Weg beginnen, sonst ist alles verloren“, sagte sie mit fester Stimme.
    „Es gibt nichts mehr zu gewinnen, was zu verlieren war, ist verloren. Wie ich sehe, hat die letzte Elfe dieser Welt bereits mehr gegeben, als sie je besaß. Wie ich sehe, ist der männliche Gefährte von den Famár berührt worden. Vielleicht bringt das ein wenig Hoffnung. Vielleicht ist es bedeutungslos. Wenn Chyvile sich einmischt, mag es hilfreich sein.“ Jordre duckte sich unter dem Blick des verkrüppelten Geschöpfes. Was wusste sie von Chyvile? Was mochte Osmege diesem ebenso bedauernswerten wie entsetzlichen Wesen nur angetan haben? War es auch eine Chimäre?
    „Nein, Gefährte der Tänzerin, der Dunkle Orn hat mich nicht verdorben. Ich bin eine Fren, ein Geschöpf der Liebe zwischen einer Famár und einem Orn. Unsterblich sind wir Kinder von Wasser und Erde, unsere Magie ist stark. Doch während Elfen und Famár unverändert durch die Ewigkeit schreiten, verwittern wir Frén wie die Berge, vertrocknen wie Quellen, die zu lange geflossen sind. Ich bin jünger als Chyvile und älter als Ledrea, die ich schon kannte, als sie ein kleines Mädchen in seinem ersten Leben war und den Namen Nilaya trug.“
    Ledrea gab einen leisen Klagelaut von sich, reagierte aber sonst nicht weiter.
    Jordre löste sich von Peras Hand, die ihn umklammerte, ihn zurückhalten wollte und trat langsam auf die Fren zu. Was er für Zorn und Schmerzen gehalten hatte, erkannte er nun als Weisheit, die aus den riesigen, tiefschwarzen Augen sprach, eingebettet in das unwirkliche, gesteinsartige Gesicht. Er versank in diesem Blick, der bis in das Innerste seiner Seele zu dringen schien, spürte die Macht dieses uralten Geschöpfs.
    „Ich bin Sora, die letzte lebendige Hüterin von Merpyn, erwählter Sohn der Chyvile. Die Steintänzerin vor den Suchern des Finsteren zu bewahren war meine Aufgabe, so, wie Ledreas Tochter es von mir erbeten hat. Ich bin froh, dass sie nun endet. Eilt euch! Keiner von euch drei Kindern ist bereit für sein Schicksal, doch gemeinsam mögt ihr die Kraft finden, Anevys Fluch zu lösen. Geh fort, kleiner Orn, fasse Mut, denn so viel Schmerz liegt noch vor dir und denen, die du liebst. Das gilt auch für dich, Gefährtin der Tänzerin. Ich erkenne dich.“ Pera starrte furchtsam auf die Fren, wich aber nicht zurück, als ein felsenartiger Finger über ihre Wange strich.
    „Nichts ist grausamer als zu erkennen, wie alt man geworden ist, und es sind die Kinder, die einem diesen Spiegel vorhalten. Vierhundert Mal folgte Sommer dem Winter, doch blicke ich zurück, war es kaum mehr als ein einziger Tag … Ich habe Wache gehalten, Gefährtin von Chelsa. So, wie ich es versprach. Nun ist es vorbei, und damit meine letzte Aufgabe.“
    Trauer überschattete das zerfallene Gesicht, langsam drehte Sora den Kopf und wies auf eines der Steinhäuser, in denen sich immer noch die misstrauischen, verängstigen Orn verbargen.
    „Dort lebt Chelsa, sie versteckt sich. Nimm sie mit, Elfe, zu welchem Ende der Dinge auch immer.“
    Ledrea verschwand, kehrte allerdings nur einen Moment später mit einem Mädchen an der Hand zurück. Eine etwa fünfzehnjährige Orn, so hager und zierlich, dass ein Windhauch zu genügen schien, um sie umzustoßen. Ihre riesigen grünen Augen blickten voller Angst aus dem abgemagerten Gesichtchen. Jede ihrer Bewegungen war so ungelenk, dass niemand sie mit einer Tänzerin verwechseln konnte.
    Ungläubig starrten Pera und Jordre sie an. Das war die Steintänzerin? Ein verlorenes, halb verhungertes Kind? Die einzige Hoffnung Anevys?
     

26.
     
„Wie ich euch alle beneide! Jeder einzelne von euch kann sich im schlimmsten Unglück wenigstens sagen: Hätte ich doch …! Wäre ich nur …! – Diese Gedanken mögen quälen, aber sie trösten auch, denn sie schenken die Illusion, dass es hätte verhindert werden können, dieses Unheil, und wer stark ist, wird sich genau daran aufrichten. Lernen wollen, beim nächsten Mal anders, besser zu entscheiden.
Und ich? Ich weiß, dass in manchen Momenten kein besserer Weg vorhanden ist. Kein hätte, wenn, könnte, wäre. Nur die Wahl zwischen Unglück und noch größerem Unglück. Kein Trost. Kein nächstes Mal.
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