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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger
Autoren: Jules Verne
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Jüngs-
    ten Gerichts war, welche, ja, welche war es dann?
    In allen Landen der Erde, in Königreichen wie in Repu-
    bliken, entstand deshalb eine gewisse Unruhe, die gestillt
    werden mußte. Vernimmt einer in seinem Haus eigentüm-
    liche und unerklärliche Geräusche, würde er nicht schnells-
    tens deren Ursache zu ermitteln suchen, und wenn das ver-
    geblich wäre, würde er nicht sein Haus verlassen, um ein
    anderes zu bewohnen? Ganz sicherlich! Hier war das Haus
    freilich die Erdkugel, und es gab doch kein Mittel, diese zu
    verlassen und etwa mit dem Mond, Mars, Venus, Jupiter
    oder einem anderen Planeten des Sonnensystems zu ver-
    tauschen.
    Es galt demnach unbedingt, aufzuklären, was im unend-
    lichen leeren Raum, doch innerhalb der Erdatmosphäre,
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    vorging. Ohne Luft ist ja ein Geräusch unmöglich, und
    da man hier eines vernahm – immer jene fast sagenhafte
    Trompete – mußte die Erscheinung auch in der Lufthülle
    stattfinden, deren Dichte sich nach oben zu immer mehr
    vermindert und die sich über unserem Sphäroid nur wenige
    Meilen hoch verbreitet.
    Natürlich bemächtigten sich die Tagesblätter der vorlie-
    genden Frage, behandelten sie unter allen Gesichtspunkten,
    beleuchteten oder verdunkelten sie, berichteten falsche oder
    wahre Tatsachen, erregten oder beruhigten die Leser im In-
    teresse der Höhe ihrer Auflage – und wiegelten endlich die
    schon halb verwirrten Massen nicht wenig auf. Welch ein
    Wunder! Die Politik hatte den Laufpaß erhalten und die
    Geschäfte gingen deshalb doch nicht schlecht. Aber um was
    handelte es sich überhaupt?
    Man befragte alle großen Observatorien der ganzen
    Welt. Wenn diese keine Antwort gaben, wozu nützten dann
    solche Observatorien eigentlich? Wenn die Astronomen,
    die selbst in der Entfernung von 100.000 Millionen Meilen
    noch einen Lichtpunkt zu zwei und drei Sternen aufzulösen
    vermögen, nicht imstande waren, den Ursprung einer kos-
    mischen Erscheinung zu ergründen, die nur wenige Kilo-
    meter über ihnen auftrat, wozu hatte man Astronomen?
    Man könnte auch in der Tat kaum schätzungsweise an-
    geben, wieviel Teleskope, Brillen, Fernrohre, Lorgnetten, Bi-
    nokel oder Monokel während der schönen Sommernacht
    nach dem Himmel gerichtet waren, noch wie viele Augen
    sich vor die Okulare und Instrumente von jeder Art und
    — 9 —
    Vergrößerung hefteten. Vielleicht mehrere Hunderttau-
    send, und das ist nur gering angeschlagen. Zehnmal mehr,
    als man am Firmament mit unbewaffnetem Auge sichtbare
    Sterne zählt. Nein, noch keiner, auf allen Punkten der Erd-
    kugel gleichzeitig beobachteten Sonnenfinsternis hatte man
    eine solche Ehre angetan!
    Die Observatorien antworteten, aber unzulänglich. Jedes
    gab seine Meinung ab, die stets von der aller anderen ab-
    wich, so daß sich daraus während der letzten Wochen des
    April und der ersten des Mai ein wirklicher Bürgerkrieg un-
    ter der Gelehrtenwelt entwickelte.
    Das Observatorium von Paris erwies sich sehr zurück-
    haltend. Keine seiner Abteilungen sprach sich entschieden
    aus. In der Abteilung für mathematische Astronomie hatte
    man es für unter seiner Würde gehalten, Beobachtungen an-
    zustellen; in der für die Meridianmessung hatte man nichts
    entdeckt; in der für physikalische Beobachtungen hatte
    man nichts wahrgenommen; in der für Geodäsie nichts be-
    merkt; in der für Meteorologie war niemand etwas aufgefal-
    len; in der für die Berechnungen hatte man nichts gesehen.
    Das war wenigstens ein offenes Geständnis. Dieselbe Offen-
    herzigkeit bekundete das Observatorium von Montsoucis,
    wie die magnetische Station im Park Saint-Maur. Dieselbe
    Achtung vor der Wahrheit bewies das Längenbüro. Nun ja,
    Frankreich heißt ja das Land, wo man »frank«, d.h. offen
    spricht.
    Die Provinz war etwas entschiedener in ihrer Äußerung.
    Etwa in der Nacht zwischen dem 6. und 7. Mai hatte sich
    — 10 —
    ein Lichtschein elektrischen Ursprungs gezeigt, der 20 Se-
    kunden nicht überdauerte. Am Pic-du-Midi war er zwi-
    schen 9 und 10 Uhr abends beobachtet worden; im mete-
    orologischen Observatorium des Puy-de-Dôme hatte man
    ihn zwischen 1 und 2 Uhr morgens bemerkt; auf dem Mont
    Ventoux in der Provence zwischen 2 und 3 Uhr; in Nizza
    zwischen 3 und 4 Uhr; auf den Semnoz-Alpen endlich zwi-
    schen Annecy, le Bourget und dem Genfer See im dem Au-
    genblick, als der Tagesschimmer sich eben bis zum Zenit
    erhob.
    Offenbar konnte man diese Beobachtungen unmöglich
    in Bausch und Bogen
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