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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null
Autoren: Alexander Kröger
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und schadenfroh, als wisperten
sie: „Wir sind beständig, Robina Crux, noch in deiner letzten
Stunde wirst du uns unverändert finden. Außer deinem
Kristallscherben bewegt sich hier nichts, nur in deinem
alternden, gemarterten Hirn…“ Robina resignierte. ,Nichts hat
sich verändert.’ Sie kehrte um und ging niedergeschlagen
zurück zu ihrer Behausung.
,Doch!’
     
Überrascht und plötzlich wieder gegenwärtig mit klarem
    Denken: ,Birne ist weg!’
,,Birne?“, sagte sie fragend.
„Birne!“, rief sie. Und ungehalten: „Birne – wo bist du?“
Sie kontrollierte die Sprechanlage des Raumanzugs. Aber die
    Diode leuchtete. ,Er muss mich empfangen!’ „Birne!“, schrie
sie, und sie drehte sich, als ließen sich so die Funkwellen
richten.
    Hilflos stand die Frau, geschockt und Augenblicke lang wie
geistesabwesend. Sie begriff nicht. Niemals in den
vergangenen Jahren, da sie die Maschine gleichsam zu ihrem
Gefährten erzog, hatte diese den einfachen Gehorsam
verweigert. Freilich, von seinem Grundprogramm, dem Schutz
der Funkanlage, konnte sie ihn nicht abbringen, so drängend
sie es auch versucht hatte. Der Richtstrahl strich nach wie vor
scharf gebündelt in die Richtung, in der sie ihn angetroffen
hatten, lediglich in ihr S-O-S konnte sie ihn zerhacken, in jenes
Signal, das die Anderen hergelockt… ,Hat es das?’ Wieder
stieg bittere Enttäuschung in Robina an.
    ,Aber niemals hat er sich den Alltagsanordnungen widersetzt,
sich gar aus dem Staub gemacht. Verdammt, vor wenigen
Stunden hat er noch mein Diktat aufgenommen, die neue Seite
für die Wand.’
    Zornig schrie Robina weitere Male nach dem
Verschwundenen – ohne Erfolg.
Unfähig, etwas Sinnvolles zu unternehmen, nach wie vor
unter der Wucht des Unbegreiflichen, setzte sich Robina auf
ihren Stein, lehnte sich an den Kristall und schloss die Augen.
,Ich träume’, dachte sie. ,Wenn ich aufwache, ist alles, wie es
war.’ Instinktiv reckte sie den rechten Arm, um, wie so oft in
solchen Augenblicken, den metallenen Gefährten zu berühren.
Ihr Tasten fand keinen Widerstand. Aber – noch mechanisch
weiter den Arm bewegend – schoss Robina ein Gedanke ein:
,Noch nie hat er mich verlassen – warum also gerade jetzt?
Was hat ihn veranlasst, in dem Augenblick, in dem ich träumte
– träumte?
– die Anderen, die Seinen, kommen, zu
verschwinden…?’ Winzig glomm in Robina ein
Hoffnungsfünkchen auf. „Warte, mein Bürschchen! Dich hole
ich!“
Grimmiger Elan erfasste Robina. „Ihn holen – er kann nur zu
seiner Äsung geeilt sein.“ Robina blickte zur Uhr. ,Er hätte
aber noch sieben Stunden Zeit gehabt… Trotzdem!’
Die plötzlich entstandene Aufgabe, den unartigen Roboter
aufzuspüren, überdeckte auf einmal die Enttäuschung, ersetzte
das Deprimierende durch Tatendrang. Den glimmenden
Hoffnungsfunken löschte sie nicht. –
Robina redete sich ein, es sei nichts geschehen. Sie
suggerierte sich Unbefangenheit, bestieg ihr Vehikel und fuhr
flott in Richtung Kuppel. Die Lichtkaskaden der Lumineszenz
durchdrangen die Riesenkristalle wie eh und je, erzeugten ihre
funkelnden Reflexe, hatten nichts von ihrer Faszination
eingebüßt. ,Warum sollten sie auch!’ Dennoch schien es
Robina, als wäre die Illumination auf dieser ihrer Fahrt
ausschließlich für sie gerichtet, und nach Jahren der Routine
wurde ihr die Schönheit ihrer Zwangsheimstatt wieder einmal
bewusst. Nie hatte ein Mensch, außer den toten Gefährten
Mandy, Frank und Stef, etwas so Wunderbares gesehen. ,Nun
bin ich der Einzige… Und wenn ich das alles doch eines Tages
verlassen muss?’ Robina schüttelte die Gedanken ab.
Sie befand sich vor dem Eingang drei, der von der Ebene her
in das unterbolidische Stollensystem führte. Sie warf noch
einen Blick über den starren See, in dem sich die unzähligen
Sterne spiegelten und so den Eindruck vermittelten, als stünde
sie schwebend zwischen den Sonnen im All. Dann trat sie
forsch ein und begab sich schnurstracks in den Schlafraum des
Birne, dorthin, wo sie ihn bei den Ladevorrichtungen für seine
Akkumulatoren vermutete. Jahrelang hatte sie die Stätte nicht
wieder aufgesucht. Ihre Energie tankte die Maschine
selbstständig.
Alle Gegenstände befanden sich dort, wo sie, wie Robina sich
erinnerte, hingehörten. Nur der Roboter fehlte.
Überrascht, aber nach wenigen Augenblicken gefasst, sagte
Robina, und sie dachte an die Zeit, da sie die Bauwerke der
Anderen entdeckte und erkundete und an die vielen Stunden,
die sie
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