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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null
Autoren: Alexander Kröger
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drehte, und zwar so geschickt, dass er in dem
engen Raum nirgends anstieß.
Auch Sophie und Egmont sahen jetzt die Leuchtdioden an der
Rundung, die sich auf sie richtete. Diese begannen zu flirren,
als eine zweite Aufforderung folgte: „Verlasst jetzt das Boot;
ich erfülle meine Aufgabe!“
Wiederum rührte sich niemand.
Dann sagte Ole heiser, und man merkte ihm an, dass er das
Geschehen noch nicht verinnerlicht hatte: „Ich bin Arzt. Er
stirbt vielleicht!“
Die Antwort kam schnell und bestimmt: „Sie stirbt nicht,
geht!“ Und der Koloss rückte einige Zentimeter auf die
Menschen zu.
Sie wichen zögernd, rückwärtsgehend. An der Tür wandten
sie sich dem Ausstieg zu. Sophie warf noch einen Blick auf
den Schlafkasten, und ihr war, als bewegte sich dort das
Gesicht.
Und noch einmal meldete sich Mark Sander: „Verdammt
noch mal, was ist bei euch da drinnen los!“ –
1. Teil
1
    Robina stand mit gebreiteten Armen auf dem gläsernen See
und starrte ins Firmament. Später hätte sie nicht zu sagen
vermocht, was in diesem Augenblick in ihr vorging. Wie in
Trance nahm sie überdeutlich die kleinen pulsierenden
Lichtpunkte wahr, drei kurz, drei lang, drei kurz, die in ihr wie
blendend strahlende Leuchtkugeln flammten. Gedankenleer
murmelte sie wieder und wieder: „Sie kommen…“
    Dann stand das Signal im Zenit. Robina achtete nicht auf die
Schmerzen im überdehnten Nacken. Mechanisch drehte sie
sich, den Blick starr mit den blinkenden Punkten verhaftet, bis
die Rotation des Boliden diese hinter dem Kristallmassiv über
der Grotte verschluckte.
    Erst jetzt wich der ungeheure Druck von der Frau, setzte das
Denken wieder ein. „Sie kommen“, flüsterte sie erneut. Tränen
stürzten über ihre Wangen. Wie in dicker Watte schritt sie zu
ihrem Sitzstein, sank darauf nieder und stützte den Helm in die
Hände. „In hundertsiebenundsechzig irdischen Minuten gehen
sie wieder auf!“ Sie wendete den Kopf: „Hörst du, in zwei
Stunden und siebenundvierzig Minuten tauchen sie wieder auf,
deine Leute.“
„Meine Leute“, echote die Maschine.
    Robina lehnte sich zurück. Sie entspannte langsam; ein nie
empfundenes Glücksgefühl durchströmte sie. Sie atmete tief.
,Es hat sich gelohnt’, dachte sie. ,Nach dreiundzwanzig Jahren
und hundertsiebenunddreißig Tagen hat mein Ruf sie
hergeführt, die Anderen…
    Die Anderen? Und wenn es meine sind?’ Noch immer fühlte
Robina sich fassungslos, keiner tieferen Überlegung fähig.
„Das ist so gleichgültig!“, rief sie. Aber gleichzeitig pochte
leise in ihr der Wunsch, es mögen die Anderen sein.
Robina starrte auf den Punkt am jenseitigen Ufer, an dem des
Signal erneut erscheinen musste, obwohl, wie gerade dem
Roboter mitgeteilt, noch Stunden vergehen würden.
Je zäher die Minuten tropften, desto mehr stellten sich
Zweifel ein. ,Wenn mir meine Phantasie, mein Wunschdenken
einen Streich spielt? Aber warum gerade heute? Hat mich das
Sehnen nach einem solchen Augenblick nicht begleitet, seit ich
wusste, dass die Gefährten mit der stolzen REAKTOM
atomisiert wurden und ich nach der Havarie auf diesem
todkalten, sterilen, wunderbaren Gesteinsbrocken allein sein
werde?’
„Entschuldige!“ Robina strich zärtlich, so wie es die
Handschuhe zuließen, über den Metallpanzer des Roboters.
„Ohne dich und das Wissen um deine Abstammung hätte ich
wahrscheinlich nicht überlebt.“
,Durch deine Hilfe geschieht das Ungeheure: Ich, Robina
Crux, eine simple Feldoperateurin, eine verunfallte
Raumfahrerin, eine Frau, die hundert Mal aufgegeben und
einmal mehr Hoffnung schöpfte. Ich bin der erste Mensch,
dem widerfährt, was Milliarden Menschen träumen, ich treffe
mich mit anderen vernünftigen Wesen, bin Bote der
Menschheit. Umsonst habe ich mir das Hirn zermartert, auf
welche Weise ich von meinem Aufenthalt hier künde, habe
jahrelang die wundervollen Flächen der Riesenkristalle mit
meinen gebrannten Wörtern und primitiven Inhalten
verdorben. Jetzt kann ich ihnen alles sagen, alle Fragen
beantworten, kann ein Bild von meiner Erde vermitteln – wie
es dort vor fünfunddreißig Jahren ausgesehen hat. Und wenn
die, die da kommen, die Meinigen sind oder ich doch einer
Halluzination erliege…?’
In Robina steigerte sich Spannung ins Unerträgliche. ,Und
noch über zwei Stunden…’ Sie stand auf, wanderte ein Stück
in die Ebene hinein, kehrte um. ,Ich muss sie begrüßen, sie
empfangen. Wo werden sie landen? Hier, auf dieser Fläche?
Kommen sie friedlich? Oder
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