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Ring aus Feuer

Ring aus Feuer

Titel: Ring aus Feuer
Autoren: Annie West
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außerordentlich kunstvollen Schmuckkreationen leisten.
    Mühsam zügelte er seine Ungeduld, als Petros ihm einen winzigen tragbaren Monitor reichte. Auf dem Bildschirm erschien eine junge Frau, die auf einem Lehnstuhl in einem leeren Raum saß. Ihr Rücken war der Kamera zugewandt, aber Stavros konnte erkennen, dass sie eine verwaschene Jeans und ein T-Shirt trug. Sie war dünn und hatte ihre dunklen Haare mit einer Spange hochgesteckt.
    Ihre Körperhaltung erregte seine Aufmerksamkeit. Sie saß kerzengerade in fast königlicher Haltung auf dem harten Stuhl und strahlte ein überzeugendes Selbstbewusstsein aus.
    Etwas an ihr berührte ihn. Kannte er sie etwa? Waren sie sich schon einmal begegnet?
    Er zuckte die Achseln. Es spielte ohnehin keine Rolle. Sie war nicht eingeladen, also dachte er gar nicht daran, mit ihr zu sprechen.
    „Erteile ihr Hausverbot!“, befahl er und reichte seinem Sicherheitschef den Monitor zurück. „Sie verschwendet nur meine Zeit.“
    Doch Petros rührte sich nicht von der Stelle, sondern räusperte sich lediglich.
    Ungeduldig hob Stavros eine Augenbraue.
    „Da ist noch etwas, kyrie. Sie werden sich vielleicht doch mit ihr unterhalten wollen.“
    „Und warum sollte ich das?“
    Mittlerweile war Petros sein Unbehagen deutlich anzumerken. „Sie besitzt Ihren Ring. Den mit dem Familienwappen.“
    Stavros erstarrte. Dies war offenbar kein harmloser Scherz. Dieser Ring war etwas Besonderes, und Petros war durchaus in der Lage, das Schmuckstück zu identifizieren. Selbst wenn der Ring seit nunmehr vier Jahren verschwunden war …
    „Hast du ihn bei dir?“, fragte Stavros und streckte erwartungsvoll seine Hand aus. Doch Petros schüttelte den Kopf.
    „Aber ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen und gründlich untersucht. Sie trägt ihn an einer langen Kette um den Hals. Allerdings weigert sie sich, ihn herauszugeben. Sie will erst mit Ihnen sprechen. Natürlich könnte ich den Ring mit Gewalt an mich nehmen, aber ich wollte mich vergewissern, dass Sie nicht anderer Ansicht sind.“
    Ich muss wissen, wer diese Frau ist, schoss es Stavros durch den Kopf. Seine gewaltige Neugier war ihm selbst unheimlich.
    In seinem Leben gab es keine unwillkommenen Überraschungen. Er bezahlte eine Armee von Angestellten dafür, eben dafür zu sorgen. Selbst sein Berufsleben folgte einem strikt festgelegten Plan, den er persönlich aufgestellt hatte. Es gab Herausforderungen, Ziele und Gelegenheiten – aber aufgrund seines hervorragenden Geschäftssinns, seines extremen Reichtums und allem voran seiner wilden Entschlossenheit war der Erfolg buchstäblich vorprogrammiert.
    Der Ring.
    Langsam atmete er aus und spürte den Druck unterdrückter Gefühle, die sich nun den Weg zurück an die Oberfläche bahnten.
    Es war seine Pflicht, das Schmuckstück zurückzuholen und es an die nächste Generation weiterzugeben. Einer seiner Vorfahren hatte diesen Ring schon auf dem Schlachtfeld getragen. Aber der Ring barg auch viele jüngere Erinnerungen – an eine Zeit, die Stavros beinahe vergessen hatte, an sein großes Versagen …
    „Komm mit!“ Er wandte der lebhaften Verlobungsgesellschaft den Rücken zu. „Zeig mir diese Frau, die mein Eigentum mit sich herumträgt!“
    Energisch kämpfte Tessa gegen die Erschöpfung an, die sie nun überfiel, nachdem sie endlich hier angekommen war. Sie straffte die Schultern, hob das Kinn und wartete. Nur noch eine kleine Weile, dann war es vorüber – dann konnte sie endlich ausruhen.
    Sie starrte die weiße Wand vor sich an. Den blanken Tisch, den leeren Stuhl. Wofür war dieser Raum eigentlich gedacht? Er sah aus wie eine Verhörzelle.
    Die unangenehme Erinnerung an ein anderes fensterloses Zimmer ließ sie zusammenfahren. Nicht ganz so schlicht oder so ruhig. Die Farbe an jenen Wänden war schon lange Zeit abgeblättert gewesen und hatte so den Blick auf brüchigen Putz und billige alte Mauersteine freigegeben.
    Und dieser Gestank. Tessa rümpfte unbewusst die Nase. In jenem anderen Raum hatte der Geruch von Angst und Schmerzen gehangen.
    Entschlossen wandte sie sich wieder der Gegenwart zu. Schließlich war sie buchstäblich eine Weltreise von diesem Ort entfernt, und der Raum war schon vor einer Ewigkeit von einem Bulldozer eingestampft worden.
    Leider konnte man Erinnerungen nicht so einfach zerstören wie Gebäude.
    Sie atmete tief durch und griff automatisch nach dem Talisman an ihrer Kette. Sein Gewicht lag tröstend zwischen ihren Brüsten. Der Ring hatte sie
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