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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07
Autoren: Gulik
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geben, wißt Ihr! ›In Milde regieren‹ – ist Konfuzius’ Devise und auch die meinige. Nun aber, lebt wohl!«
    Er verschwand im Innern der Sänfte, und die Träger hoben die dicken Schäfte auf ihre schwieligen Schultern. Da schob sich plötzlich der Fenstervorhang auseinander, und Lo steckte seinen Rundkopf nach außen.
    »Eben fiel mir der Name des Vorstehers ein, Di! Feng Dai heißt der Mann. Gewandt, kann ich Euch sagen! Na, Ihr trefft ihn ja beim abendlichen Festmahl.«
    »Welchem Festmahl?« fragte Richter Di verdutzt.
    »Oh, sprach ich Euch nicht davon? Das mir die Notabein der Paradiesinsel heute abend in der ›Kranichlaube‹ geben; natürlich müßt Ihr mich dabei vertreten, denn ich möchte sie nicht vor den Kopf stoßen. Es wird Euch gefallen, Di, ein wunderbares Essen wird dort geboten, besonders die gebratene Ente. Richtet ihnen aus, daß es mir leid tut, nicht wahr? Plötzlicher Abruf wegen dringender Geschäfte, unaufschiebbarer Staatsgeschäfte und so weiter. Nun, Ihr wißt selbst am besten, wie man solche Ausreden formuliert. Vergeßt nicht, von der süßen Sauce zum Entenbraten zu nehmen!«
    Damit wurde der Vorhang zugezogen, und der Sänftenzug verschwand in der Dunkelheit. Die vorauslaufenden Polizisten schlugen weder auf ihre Gongs, noch riefen sie: »Weg frei für den Amtmann«, wie es sonst gebräuchlich war.
    »Wozu all diese Aufregung?« fragte Ma Jung verblüfft.
    »Vermutlich ist etwas Unangenehmes in Tschin-hwa während seiner Abwesenheit passiert«, meinte der Richter. Bedächtig rollte er die Vollmacht zusammen und steckte sie in seinen Ärmel. Unversehens erhellte Ma Jungs Gesicht ein vergnügtes Grinsen. Zufrieden sagte er:
    »Auf jeden Fall haben wir nun ein paar Tage vor uns an diesem vergnügten Ort!«
    »Einen Tag nur«, sagte Richter Di bestimmt. »Ich machte einen Tag dadurch gut, daß ich Amtmann Lo hier antraf, und diesen einen Tag will ich seinen Geschäften widmen – darüber hinaus keinen mehr. Jetzt aber zurück zum Quartier; ich muß mich wegen dieses verteufelten Festmahls in meine Amtsrobe werfen!«
    In die Herberge zur »Ewigen Wonne« zurückgekehrt, sagte Richter Di dem Wirt, daß er in der »Kranichlaube« dinieren würde; er solle ihm eine Sänfte besorgen und vor dem Herbergstor bereithalten, um ihn zum bestimmten Ort zu bringen. Sie begaben sich nun zum Roten Zimmer, wo Ma Jung dem Richter beim Ankleiden behilflich war. Di trug seine Zeremonienrobe aus grünem Brokat und setzte sich die geflügelte Kappe aus schwarzem Samt aufs Haupt. Richter Di bemerkte, daß die Dienerin den roten Vorhang über dem Himmelbett aufgezogen und die Teekanne in den ausgepolsterten Korb auf den Tisch gestellt hatte. Er löschte die Kerzen aus und ging hinaus, gefolgt von Ma Jung.
    Als der Richter die Tür abgeschlossen hatte und im Begriff stand, den großen Schlüssel in seinen Ärmel zu versenken, hielt er inne und sagte:
    »Ich lasse den schweren Schlüssel besser im Türschloß stecken. Bei mir gibt’s nichts zu verbergen!«
    Er steckte ihn wieder ins Schloß, worauf sie zum Vorhof hinübergingen. Dort warteten acht Träger an den Schäften einer großen Sänfte. Richter Di bestieg sie und forderte Ma Jung auf, sich innen neben ihn zu setzen.
    Während sie durch die lärmenden Straßen getragen wurden, sagte der Richter:
    »Nach unsrer Ankunft im Restaurant und nachdem du mich angekündigt hast, gehst du durch alle Spielsäle und Weinschenken. Erkundige dich unauffällig über den Selbstmord des Akademikers – wie lange er sich hier aufgehalten hatte, mit welchen Leuten er verkehrte, kurzum, suche soviel wie möglich zu erfahren. Nach der Meinung meines Freundes Lo haben wir es hier mit einem einfachen Fall zu tun, doch kann man bei Selbstmorden nie wissen. Ich verlasse das Festmahl so früh wie möglich. Falls du mich dort nicht antriffst, erwarte mich in meinen Räumen der Herberge zur ›Ewigen Wonne‹.«
    Die Sänfte wurde auf den Boden niedergesetzt. Als sie auf der Straße ausgestiegen waren, schaute Richter Di verwundert zu einem turmhohen Gebäude auf, vor dem er stand. Eine zwölfstufige Marmortreppe, von lebensgroßen Bronzelöwen flankiert, führte hinauf zu einer hohen Doppeltür, die in glänzendem Rot lackiert und mit Messingornamenten reich verziert war. Darüber hing ein mächtiges vergoldetes Schild, auf dem in zwei großen schwarzen Schriftzeichen »Kranichlaube« eingeschrieben stand. Über dem Schild stieg ein zweites und ein drittes Stockwerk empor,
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