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Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen

Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen
Autoren: Sylke Brandt
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rudernden Bewegungen aufstand und um Worte rang. Ganz
offensichtlich suchte er nach einer der tausend dünnsuppigen Ausreden,
die er immer parat hatte, wenn er beim Faulenzen erwischt wurde und die so eine
passende, jämmerliche Begleitung zu dem Donnerwetter darstellten, mit dem
er jedes Mal von seinem Chef eingedeckt wurde. Anscheinend konnte er sich nicht
entscheiden, was für einen Vorwand er diesmal gebrauchen wollte, um sein
Versagen zu erklären, denn er stand noch immer da, wedelte mit den Armen
und sein Mund klappte auf und zu. Der Oberaufseher hielt irritiert inne. Sein
nächster Satz wäre jetzt »Halten Sie den Mund und hören
Sie mir zu, Sie Pratzpflaume !« gewesen, aber er konnte ihn nicht
anbringen, solange Kentnok nichts sagte.
    Tandruk mochte es nicht, wenn ein Ablauf unterbrochen wurde. Es machte ihn nervös.
    Ärgerlich.
    Ein röchelnder Laut entrang sich schließlich der Kehle des Arbeiters
und er wurde begleitet von einer deutlichen Verdunkelung der Gesichtsfarbe.
Kentnok hörte auf, um sich zu schlagen und deutete mit hektischen Bewegungen
auf seinen Hals. Der Aufseher starrte ihn verblüfft an und dachte an einen
neuen Trick, mit dem sein Lieblingsopfer seiner Bestrafung entgehen wollte.
Erst als der Mann vor ihm wirklich dunkelgrün geworden war und die Bewegungen
matter wurden, kam er auf den Gedanken, dass Kentnok sich vor Schreck verschluckt
haben musste. Eines der Fleischbällchen steckte ihm ohne Frage im Hals
fest. Als sich diese Erkenntnis endlich den Weg durch den dicken Schädel
des Oberaufsehers gebahnt hatte, trat Tandruk sofort in Aktion. Es war völlig
gleichgültig, ob er auf Kentnok wütend war oder nicht. Jemandem, der
sich durch ein Unglück bei der Nahrungsaufnahme in Gefahr gebracht hatte,
musste sofort geholfen werden. Das war ein ehernes Gesetz auf Schluttnick Zentral
und es gab nichts, was darüber ging. Kriminelle hatten ihrem Opfer, das
sie eben noch ausrauben wollten, den vor Schreck verschluckten Huppilan -Spieß
aus dem Hals gezogen, Soldaten dem Feind dabei geholfen, verdorbenes Mink fleisch
auszuwürgen, in Hass verbundene politische Gegner hatten Erste Hilfe nach
dem Genuss überwürzter Pfefferpralinen geleistet. Danach konnte es
weitergehen wie zuvor. Aber es musste geholfen werden.
    Mit einer energischen Bewegung warf Tandruk den langsam erschlaffenden Kentnok
bäuchlings über eine Kiste, so dass sein Oberkörper nach unten
hing. Dann erst begann er damit, ihm kräftig zwischen die Schulterblätter
zu klopfen – vielleicht etwas heftiger, als wirklich nötig gewesen
wäre. Jedes Schluttnickkind lernte diese grundlegenden Regeln und rettete
mit seinem Wissen meist viele Leben. Nach dem dritten Schlag löste sich
das Fleischbällchen, Kentnok hustete mit letztem Atem und der fast tödliche
Leckerbissen schoss aus der Luftröhre des Schluttnicks und rollte harmlos
zu seinen Gefährten auf den Fußboden.
    Abwartend trat Tandruk einen Schritt zurück, während Kentnok japste
und nach Luft schnappte. Schließlich richtete sich der Arbeiter aus seiner
würdelosen Position auf und blinzelte, als sähe er seinen Vorgesetzten
gerade zum allerersten Mal.
    Erwartungsvoll holte Tandruk lautlos Atem.
    »Oohh, Herr Oberaufseher Tandruk!«, begann Kentnok, schaffte trotz
seiner Situation ein fast strahlendes Lächeln und rappelte sich vollends
auf. »Es ist nicht so, wie Sie denken! Ich hatte hier etwas in der Lüftung
repariert, in meiner Essenspause!, und war gerade dabei, den letzten
Bissen zu nehmen und wollte in diesem Moment an meine Geräte zurück
...«
    »Halten Sie den Mund und hören Sie mir zu, Sie Pratzpflaume !«,
brüllte Tandruk und eine tiefe Zufriedenheit erfüllte ihn. Die Puzzleteile
seiner Welt, die für ein paar Augenblicke durcheinander geraten waren,
fielen an ihren angestammten Platz zurück. Der Aufseher schaffte es, noch
massiger auszusehen, als er ohnehin schon war, und sein Gesicht wurde dunkelgrün.
    »Kentnok! Sie Faulenzer und Nichtsnutz! Wir haben hier eine FIRMA ,
eine sehr WICHTIGE und jeder ist bemüht, so PRODUKTIV zu
sein, wie er nur kann, aber nein, der Herr Kentnok macht noch ein Päuschen
und versucht ein paar verbotene Gramm zuzulegen, jaaa?« Jedes Wort, das
er noch einmal besonders laut herausschrie, war wie eine akustische Ohrfeige.
Kentnok duckte sich unwillkürlich. Er kannte das, aber es wurde dadurch
nicht angenehmer.
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