Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele

Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele

Titel: Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele
Autoren: Rachel Vincent
Vom Netzwerk:
umstießen, blieb ich stocksteif stehen und starrte auf Edens reglose Gestalt. Immer mehr Menschen knieten sich neben sie, um zu helfen, darunter auch die Frau, die geschrien hatte. Erst jetzt erkannte ich sie: Es war Edens Mutter und Managerin, sie weinte und schüttelte ihre Tochter, während einer der Sicherheitsmänner versuchte, sie wegzuziehen.
    „Sie atmet nicht!“, schrie sie, und in der Stille, die sich über den Zuschauerraum gesenkt hatte, konnten alle sie laut und deutlich hören. „Helft ihr doch, sie atmet nicht mehr!“
    Und plötzlich bekam ich auch keine Luft mehr.
    Ich umklammerte Nashs Hand, und mein Herz begann zu rasen. Ich hatte solche Angst vor dem Schrei, der sich beim Anblick von Edens Seele aus meiner Kehle lösen würde. Der Schrei einer Banshee hat eine schrille Tonlage, die im menschlichen Gehirn widerhallt und damit nicht nur Glas zum Zerspringen, sondern auch Trommelfelle zum Platzen bringen kann.
    „Atmen, Kaylee.“ Nash nahm mich in den Arm und flüsterte mir sachte ins Ohr. Seine tröstende Stimme hüllte mich ein, und ich spürte seinen beruhigenden Einfluss. Die Stimme eines männlichen Banshee ist wie ein akustisches Beruhigungsmittel, nur ohne Nebenwirkungen. Er konnte den Schrei aufhalten oder zumindest Lautstärke und Intensität verringern. „Atme ganz ruhig weiter.“
    Genau das tat ich. Ohne den Blick von Eden zu lösen, atmete ich weiter und wartete auf Edens Tod. Wartete auf den Schrei, der in mir aufsteigen würde. Doch nichts geschah.
    Eden atmete immer noch nicht, aber ich musste nicht schreien.
    Als die Panik abklang und mein Verstand wieder halbwegs arbeitete, löste ich mich vorsichtig aus Nashs Umarmung. Wenn ein Mensch starb, war er normalerweise von einer Todeswolke umhüllt, von einem durchscheinenden schwarzen Nebel umgeben, den nur Bansheefrauen sehen konnten. Doch hier war weit und breit keine Todeswolke.
    „Alles in Ordnung.“ Ich lächelte erleichtert, ungeachtet der entsetzten Mienen um uns herum. „Es geht ihr gut. Eden wird nicht sterben!“ Sonst hätte ich schon lange angefangen zu schreien. Schließlich ist das meine Aufgabe als Bansheefrau.
    „Ich glaube, du täuschst dich“, erwiderte Todd, der weiterhin auf die Bühne starrte, und deutete auf Eden. Die Sängerin lag immer noch auf dem Boden, umringt von ihrer Mutter, zwei Leibwächtern und mehreren Crewmitgliedern, von denen einer eine Mund-zu-Mund-Beatmung versuchte. Und direkt vor meinen Augen stieg eine neblige, schemenhafte Substanz aus Edens Körper auf und schlängelte sich wie eine Kobra nach oben.
    Doch anstatt Richtung Decke zu schweben, wie Seelen es normalerweise tun, hing die Substanz irgendwie schwer in der Luft, so als würde sie im nächsten Moment neben Eden wieder zu Boden sinken. Sie sah zähflüssig, aber farblos aus und war durchsetzt von dunklen Schlieren, die sich, wie in einem unsichtbaren Luftstrom, hin und her bewegten.
    Bei dem Anblick stockte mir der Atem. Ich wusste zwar nicht, was es war, aber ich wusste, was es nicht war …
    Eden hatte keine Seele gehabt!

2. KAPITEL
    „Was ist das?“ Aufgeregt packte ich Nash an der Hand. „Es ist jedenfalls keine Seele. Und wenn Eden tot ist, warum bin ich nicht am Schreien?“
    „Was ist was?“, fragte er verständnislos.
    Nash konnte Edens Seele – oder was auch immer es war – offenbar nicht sehen. Bansheemänner erahnen die Unterwelt nur bruchstückhaft; auch frei gewordene Seelen erkennen sie nur dann, wenn eine Banshee für sie singt. Und mit diesem gespenstischen Brei, der Edens Körper entwich, verhielt es sich anscheinend genauso.
    Obwohl die gesamte Aufmerksamkeit auf Eden gerichtet war, warf Nash einen prüfenden Blick über die Schulter und stellte sicher, dass uns niemand belauschte.
    Todd verdrehte die Augen und deutete auf die gegenüberliegende Seite der Bühne, wo sich eine große Menschentraube gebildet hatte. „Schaut mal da rüber. Seht ihr die Frau?“
    „Ich sehe eine Menge Frauen“, erwiderte ich. Die Leute standen dicht gedrängt und hielten sich ihr Handy ans Ohr. Ein paar besonders dreiste Aasgeier fotografierten die sterbende Sängerin zu meiner Verärgerung sogar. Aber Todd zeigte beharrlich auf eine bestimmte Stelle, also spähte ich angestrengt in die Dunkelheit der Seitenbühne. Das, was er mir zeigen wollte, entstammte wahrscheinlich nicht der Welt der Menschen und war somit nicht auf den ersten Blick zu erkennen.
    Und dann sah ich sie.
    Vor den düsteren Schatten der Kulissen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher