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Reise in die Unterwelt

Reise in die Unterwelt

Titel: Reise in die Unterwelt
Autoren: Michael Shea
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Beinen, den Kopf nach unten, zur Treppe. Jetzt fingen sie an, ihn mehrmals über den Rand der Klippen zu schwingen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Sull die hundert Meter hinunter auf die gegen die Klippen tosende Brandung.
    »Die Trolle haben den Auftrag«, erklärte der Fremde dem Than, »Euch weit über die Felsen hinweg ins Meer zu schleudern. Dadurch werdet Ihr den Sturz möglicherweise überleben und könnt versuchen, Beweise für Eure Ansprüche herbeizuschaffen, indem Ihr Simbilis findet.«
    Genau das werde ich auch tun, nahm sich der Than vor, als er in hohem Bogen durch die Luft flog.
     
    Auf der Suche nach Simbilis konnte Mumber Sull sich lediglich nach alten Legenden richten, die besagten, daß der Erzzauberer sich nach den Kriegen gegen die Unterweltliga an die Westküste zurückgezogen hatte.
    Heute war bereits sein vierter Tag auf See. Niemand hatte ihn gehindert, sich eines der Boote im Hafen zu nehmen, als er starr vor Kälte, vier Stunden nach seinem Sturz ins Wasser, die Küste schwimmend erreichte. Sogar mit Proviant konnte er sich ungesehen versorgen. Im Augenblick war er hungrig. Es war Mittag und daher Zeit zum Essen. Er machte es sich eben mittschiffs bequem, als er Steuerbord voraus ein kleines Segel sichtete. Glücklicherweise handelte es sich nicht um blutrünstige Piraten, wie er schon befürchtet hatte, sondern offenbar um einen Schiffbrüchigen, der noch dazu bewußtlos war. Der Mann lag mit dem Kopf nach unten auf einem Floß, dessen Mast ein gebrochenes Paddel und dessen Segel ein zerfetztes Hemd war.
    Sull gelang es, ihn auf die Schaluppe zu schaffen. Er flößte ihm Wasser ein. Sobald der hagere Fremde das Bewußtsein wiedererlangt hatte, aß er herzhaft von dem angebotenen Dörrfleisch und dem Trockenbrot.
    »Ihr erholt Euch aber schnell«, staunte der Than.
    »Noch ein wenig Eurer vorzüglichen Stärkung, und ich bin wie neugeboren«, erwiderte der Fremde. Er schien zwar längere Zeit nichts mehr gegessen zu haben und war vermutlich deshalb so hager, trotzdem wirkte er kraftstrotzend. Seine dunklen Brauen wölbten sich über schwarzen Augen, die humorvoll und freundlich in die Welt blickten. Im großen ganzen erinnerte sein längliches kluges Gesicht an einen verschmitzten Fuchs.
    Er strich sich über den vollen Bauch und lehnte sich zufrieden zurück. »Eure Hilfe kam gerade zur rechten Zeit. Als ich vor einer beträchtlichen Weile meine Reise antrat, brach ich in großer Eile und nicht sonderlich gut ausgerüstet auf. Seit dem Verlust meines Steuerruders während eines Kampfes mit einem Riesenwasserinsekt trieb ich dahin. Wie lange? Ich weiß es nicht. Führt Euer Kurs Euch vielleicht südwärts?«
    »Durchaus nicht. Ich segle gen Westen.«
    »Zu dumm. Ich muß in den Süden. Habt Ihr schon von Almery gehört?«
    »Noch nie. Ich bin auf dem Weg nach Grag, an der Westküste dieses Meeres. Ich suche Wiedergutmachung für ein infames Unrecht, das mir durch gewisse Gesetzesübertreter zugefügt wurde.«
    »Ist das nicht ein erstaunlicher Zufall!« rief der Fremde. »Ihr reist, wie ich, um Vergeltung zu finden. Gestattet mir, mich vorzustellen. Ich bin Cugel der Schlaue.«
    »Ich bin Mumber Sull, Hafenthan von Icthyll.«
    »Hochwohlgeborener Than, sollte die Ähnlichkeit unseres Reisezwecks nicht als Omen anzusehen sein? Zweifellos ist es vorherbestimmt, daß wir einander unterstützen. Kommt in den Süden mit mir, helft mir, Almery zu erreichen, und Iucounu, den Lachenden Magier, zu bestrafen. Danach bin ich gern bereit, Euch zu begleiten, und Euch behilflich zu sein, Eure Vergeltung zu finden.«
    Mumber Sull schüttelte den Kopf. »Auch mir gefällt die Idee, einander zu unterstützen. Aber es wäre Unsinn, den Unbedeutenderen vor dem Bedeutenden zu suchen. Wer immer dieser Iucounu sein mag, er kann nur geringer sein als Simbilis, der größte aller Zauberer. Deshalb müssen wir zuerst ihn suchen.«
    »Eure Ansicht scheint mir bedauernswert selbstsüchtig. Mein Bedürfnis, Iucounu zu bestrafen, ist dringend. Eine Reise in den Westen würde das Ganze ungemein verzögern. Es ist Narretei, mein Unternehmen zu verschieben, wenn die Sonne jeden Augenblick für immer erlöschen mag.«
    »Eure Unverschämtheit ist unübertreffbar«, erwiderte der Than mit gerunzelter Stirn. »Wie könnt Ihr außerdem von einer Reise zu Simbilis als von einer Verzögerung Eurer Wünsche sprechen? Gibt es irgend etwas, das Simbilis nicht für jene tun kann, die seine Hilfe erbitten?«
    Cugel strich
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