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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens
Autoren: Helena Reich
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– ein Moelleux au chocolat an Vanilleeis, das sich zu ihrer Freude als lauwarmer Schokoladenkuchen mit cremigem Schokoladenkern herausstellte –, waren sie bei Manche mögen’s heiß angelangt, einem ihrer Lieblingsfilme. Eine wunderbare Idee, erklärte sie, das Valentine’s Day Massacre als Ausgangspunkt für diese ebenso witzige wie intelligente Komödie zu nehmen. Sie hatte die Szene, die sie ihm beschrieb, vor Augen, die alte Garage, die kartenspielenden Männer, den Wagen, der angebraust kam, die Männer mit den Maschinenpistolen, Tony Curtis und Jack Lemmon, die sich hinter einem der geparkten Wagen versteckten, um nicht auch erschossen zu werden … Der Engel muss in den Himmel … Nein, falsches Bild. Das war gestern gewesen, dieses seltsame Gespräch. Sie musste sich endlich entscheiden. Morgen Abend, hatte der Besucher ihres Chefs gesagt. Es war Abend. Wann am Abend? Sie hatte keine Ahnung. Vielleicht war es ohnehin schon zu spät. Vielleicht … Sie schob den leeren Dessertteller von sich weg und warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. Gleich würden sie aufbrechen müssen, wenn sie wirklich noch ins Kino wollten. Sie hatten es sich schon ein paar Mal vorgenommen, aber irgendwie waren sie dann doch jedes Mal in ihrer Wohnung gelandet. Es störte sie nicht, im Gegenteil, es war viel besser als jeder Film. Soll ich ihm die Geschichte wirklich erzählen?, fragte sie sich … Warum nicht, dachte sie nun, mehr als blamieren konnte sie sich nicht, und er war schließlich nicht bei der Polizei. Es würde also keinen Ärger geben, und sie würde ihren Job nicht aufs Spiel setzen. Im schlimmsten Fall würde er sie auslachen, und dann würden sie ins Kino gehen. Der Kellner brachte den Digestif. Sie stießen an, sie nippte an ihrem Grappa. Köstlich. Er sah ihr tief in die Augen und fragte, ob sie wirklich ins Kino gehen wolle. Er lächelte. Mit dem Finger strich er sanft über ihren Handrücken. Es war offensichtlich, dass er anderes im Sinn hatte.
    Skarlet gab sich endlich einen Ruck und erzählte ihm von dem Gespräch, das sie zufällig belauscht hatte. Es hörte sich an wie aus einem Agentenfilm, fand sie jetzt, während sie sprach, nicht real. Ganz und gar nicht real. Vielleicht hätte sie es doch nicht erzählen sollen. Zu spät, sie war schon mittendrin. Sie beobachtete ihren Freund aufmerksam, während sie sprach und die Satzfetzen, die sie gehört hatte, zu sinnvollen Sätzen ergänzte. Er hörte ihr gelassen zu, durchaus interessiert, aber keineswegs alarmiert. Er drehte das kleine Glas in seinen Händen und betrachtete versonnen die durchsichtige Flüssigkeit, wie sie die Innenseite des Glases benetzte und in dicken Schlieren wieder hinunterlief. Nahm er ernst, was sie sagte, oder überlegte er, wie er ihr höflich zu verstehen geben konnte, dass sie unter einer überbordenden Fantasie leiden musste? Sie wusste es nicht. Weder die Kalaschnikows und die verschwundenen Zigaretten oder die fortgewischten Fingerabdrücke noch das bald zu liefernde Grünzeug oder Gemüse und die Immobiliengeschäfte mit den Russen provozierten eine Regung auf seinem Gesicht. Auch als sie die Sache mit den erstaunlich teuren roten Rosen erwähnte, sagte er nichts. Ihre Idee mit dem Falschgeld provozierte ebenfalls keine nennenswerte Reaktion – sie meinte sogar, den Schatten eines Lächelns bemerkt zu haben. Erstaunlich für einen Finanzbeamten, dachte sie. Sie ließ sich nicht abschrecken und begann endlich, von der Sache mit dem Engel zu sprechen. Als sie erzählte, der Besucher habe zu ihrem Chef gesagt, der Engel müsse in den siebten Himmel, weil naseweise Bullen die Pest seien, zog ihr Freund eine Augenbraue hoch und sah sie plötzlich sehr aufmerksam an.
    »Wann?«, fragte er. Seine Stimme hatte auf einmal eine unterschwellige Härte. Aus seinen Augen war jede Sinnlichkeit verschwunden. Er sah weniger denn je wie ein dröger Finanzbeamter aus. Wie das Klischee eines Diplomaten, dem immerhin seine ausgezeichneten Manieren entsprachen, allerdings auch nicht mehr. Sie fühlte plötzlich Adrenalin in ihren Adern rauschen und Schmetterlinge in ihrem Bauch flattern. Nein, sie wollte auch nicht ins Kino.
    »Wann, Skarlet?«, wiederholte er.
    Sie spürte seine plötzliche Anspannung, diese Veränderung in seinem Wesen, die sie nicht beschreiben konnte, aber bemerkenswert anziehend fand. »Heute Abend«, erwiderte sie zögernd. Sie verstand nicht, was vor sich ging, aber sie genoss es. Bin ich jetzt völlig
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